Von wegen heimisch: Zwei Drittel der Gemüse und Früchte auf unserem Speiseplan stammen nicht von hier. Und damit sind wir weltweit keine Ausnahme: Wie Forscher ermittelt haben, machen solche „fremden“ Nutzpflanzen heute weltweit durchschnittlich 68 Prozent der nationalen Nahrungsversorgung aus – Tendenz steigend. Und auf den Äckern dominieren längst Arten, die einst ganz woanders domestiziert wurden.
Ob Tomaten, Weizen, Kartoffeln, Zwiebeln oder Erdbeeren: Längst betrachten wir diese Nutzpflanzen als heimisch – wie bauen sie an und sie bilden einen wichtigen Teil unserer Ernährung. Doch die wilden Vorfahren dieser Pflanzen wuchsen einst ganz woanders und wurden teilweise weit entfernt von uns erstmals domestiziert.
Woher kommen unsere Nutzpflanzen?
„Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Pflanzen heute Teil der traditionellen Ernährung in Ländern geworden sind, die viele tausend Kilometer von dort entfernt liegen, in denen diese Pflanzen zuerst auftraten“, erklärt Erstautor Colin Khoury von der Universität Wageningen. „Wenn wir Tomaten in Italien oder Chili in Thailand essen, konsumieren wir dort Nahrungsmittel, die eigentlich von weit entfernt stammen.“
Khoury und sein internationales Team haben untersucht, wie viele solcher „versteckten Fremdlinge“ sich in 177 Ländern weltweit auf den Tellern und den Feldern finden. Dafür ordneten sie die ursprüngliche Herkunft von 151 wichtigen Nutzpflanzen einem von 23 Zentren der Diversität zu – Gebieten, in denen Wildformen heutiger Nutzpflanzen besonders artenreich sind und in denen sie einst domestiziert wurden.
„Fremdlinge“ in der Überzahl
Das Ergebnis: Im Durchschnitt 68 Prozent aller Gemüse, Früchte und Getreide auf dem Speiseplan und den Äckern eines Landes sind nicht einheimischen Ursprungs. „Während weltweit Reste traditioneller Ernährung und sogar der ursprünglichen Verbreitung der Nutzpflanzen erhalten sind – beispielsweise in der Dominanz von Reis in Ostasien und von Weizen in Europa-, dominiert dennoch ein globaler Trend zu fremden Nutzpflanzen“, so die Wissenschaftler.
So stammen die bei uns angebauten Erdbeeren ursprünglich aus Nordamerika, Zwiebeln aus Asien und Mais, Kartoffeln und Tomaten aus Südamerika. Auch Blaubeeren und Kürbisse kamen erst mit der Entdeckung der Neuen Welt zu uns. Weizen und Gerste wurden im Nahen Osten domestiziert. Heimisch sind dagegen Äpfel, Spargel, Hopfen und viele Kohlsorten.
Anteil nicht überall gleich
Die starke Nutzung „fremder“ Pflanzen ist keineswegs eine Domäne der Industrieländer, wie die Forscher betonen: In Malawi beispielsweise besteht der typische Speiseplan ebenfalls vorwiegend aus „Fremdlingen“ wie Mais, Cassava und Bohnen aus Mittelamerika, Zuckerrohr, Reis und Bananen aus Südostasien und Kartoffeln und Bohnen aus den Anden.
Allerdings gibt es durchaus regionale und nationale Unterschiede: So machen in Australien und Neuseeland nichtheimische Pflanzen sogar fast 100 Prozent der pflanzlichen Nahrungsmittel und angebauten Nutzpflanzen aus. Ähnliches gilt für die Inseln im Indischen Ozean. „Die Nutzung fremder Pflanzen ist in den Ländern am höchsten, die geografisch isoliert und/oder weit entfernt von den 23 Ursprungsregionen liegen“, erklären Khoury und seine Kollegen.
Eine deutlich geringere Rolle spielen ursprünglich fremde Pflanzen dagegen in den Ländern, die mitten in einem der 23 Biodiversitätszentren liegen oder in denen die traditionelle Kost nur auf wenigen Zutaten beruht. So machen „Fremdlinge“ im Niger, in Bangladesch und Kambodscha nur rund 20 Prozent aus, wie die Forscher ermittelten.
Globalisierung verstärkt den Trend
Hinzu kommt: Im Zuge der Globalisierung hat der Anteil „fremder“ Nutzpflanzen an unsere Nahrung, aber auch im Anbau, in den letzten 50 Jahren signifikant zugenommen, wie die Forscher berichten. So werden heute im weltweiten Durchschnitt rund fünf Prozent mehr ortsfremde Pflanzen angebaut als noch 1961. Noch stärker gestiegen ist der Anteil der „Fremdlinge“ an der Kalorienversorgung der Bevölkerung, bei Fetten und Ölen beispielsweise um rund zwölf Prozent.
„Die Expansion der menschlichen Besiedelung bis an die Grenzen der bewohnbaren Gebiete, ein immer effizienteres Transportwesen und Steigerungen im globalen Handel haben die Orte des Konsums immer stärker von den Produktionsorten der Nutzpflanzen entkoppelt“, konstatieren Khoury und seine Kollegen. (Proceedings of the Royal Society B, 2016; doi: 10.1098/rspb.2016.0792)
Interaktive Karten und Diagramme zum Thema finden Sie auf der zur Studie eingerichteten Website.
(Royal Society, 08.06.2016 – NPO)