Geowissen

Atempause für den Golfstrom

Störendes Schmelzwasser der Arktisgletscher wird momentan noch nach Süden abgeleitet

Diese Grafik zeigt den verwirbelten Verlauf des Golfstroms und die schmalen Strombänder und Wirbel in den Meeresgebieten um Grönland. © Ozeanmodellierungsgruppe GEOMAR

Galgenfrist: Der für unser Klima so wichtige Nordatlantikstrom wird bisher kaum vom einströmenden Schmelzwasser beeinträchtigt, wie Forscher herausgefunden haben. Der Grund: Ein Großteil des Süßwassers wird entlang der kanadischen Küste nach Süden abtransportiert und zögert die Abschwächung des Golfstroms hinaus. Allerdings wird sich dies ändern: „Das ist nur eine Galgenfrist“, warnen die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.

Der Golfstrom und die große Umwälzpumpe des Nordatlantikstroms sind entscheidend für unser Klima. Angetrieben werden sie von Unterschieden im Salzgehalt und Temperatur des Meerwassers: Warmes, salziges Wasser sinkt vor Grönland in die Tiefe und strömt als kalte Tiefenströmung nach Süden.

Wie gefährdet ist der Golfstrom?

Doch der Einstrom von Süßwasser aus den schmelzenden Gletschern der Arktis könnte diese Pumpe schwächen oder sogar zum Erliegen bringen. Erste Anzeichen für eine Abschwächung gibt es bereits. Ob und wie stark sich das Schmelzwasser auf den Nordatlantikstrom auswirkt, haben nun Claus Böning vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und seine Kollegen untersucht.

Für ihre Studie haben die Forscher mit Hilfe eines Computermodells die Ausbreitungswege und Auswirkungen des Schmelzwassers detailliert simuliert. Präziser als bisher konnten sie damit auch die Einflüsse erfassen, die kleinräumige Strömungswirbel auf den Wasseraustausch zwischen den flachen grönländischen Küstenmeeren und dem tiefen Ozean haben.

Die heutige Verteilung des seit 1990 zusätzlich eingeflossenen Schmelzwassers illustriert den südwärtigen Export entlang des amerikanischen Kontinents. Die Farbskala zeigt Kubikmeter Schmelzwasser pro Quadratmeter Ozeanoberläche. © Ozeanmodellierungsgruppe GEOMAR

Nach Süden abgeleitet

Das Ergebnis: Bisher scheint der Nordatlantikstrom weniger vom Schmelzwasser beeinflusst als befürchtet. „Ein großer Teil des Schmelzwassers fließt entlang des amerikanischen Kontinents nach Süden ab und damit werden Veränderungen in den kritischen Bereichen des Nordatlantiks verzögert“, berichtet Böning.

Die Modellrechnungen ergaben, dass mehr als die Hälfte des Schmelzwassers mit dem Labradorstrom entlang der kanadischen Küste nach Süden transportiert wird. Weniger als 20 Prozent verbleiben in der für den Golfstrom kritischen Region zwischen Grönland und Labrador. Die dadurch bedingte Abnahme des Salzgehalts ist damit nur etwa halb so groß wie die in den vergangenen Jahrzehnten gemessenen natürlichen Schwankungen.

Eisberge im grönländischen Isfjord Illulissat - der Eisverlust nimmt seit 1990 stetig zu. © Jonathan Bamber/ University of Bristol

Nur eine Galgenfrist

Eine komplette Entwarnung bedeutet dies allerdings nicht. Denn die Simulation zeigt auch eine steigende Tendenz der Aussüßung des Meerwassers. „Wenn wir den gegenwärtigen Anstieg der grönländischen Schmelzraten in die Zukunft projizieren, lassen unsere Berechnungen in zwei bis drei Jahrzehnten erste merkliche Veränderungen in der Labradorsee erwarten“, sagt Böning. „Unsere Studie zeigt also nur eine Galgenfrist für den Golfstrom.“

Wie sich die weiter zunehmende Schmelzwasserzufuhr zukünftig auf das Golfstromsystem auswirken könnte, untersuchen die Kieler Wissenschaftler derzeit gemeinsam mit Ozeanographen und Klimaforschern aus Hamburg und Bremen in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundvorhaben RACE (Regional Atlantic Circulation and Global Change). (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2740)

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 21.06.2016 – NPO)

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