Gezielt geschlachtet? In Belgien entdeckte Neandertalerknochen tragen klare Spuren von Kannibalismus. Die Schnitt- und Schlagspuren ähneln denen an nahebei gefundenen Tierknochen. Das spricht dafür, dass diese Eiszeitmenschen ihre Toten nicht nur verstümmelten und entbeinten, sondern auch deren Fleisch aßen. Die rund 45.000 Jahre alten Funde sind der erste klare Beleg für Kannibalismus unter den Neandertalern Nord- und Mitteleuropas, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Der Umgang der Neandertaler mit ihren Toten ist ziemlich widersprüchlich: Einerseits kümmerten sich die Frühmenschen um ihre Kranken und bestatteten sie rituell. Andererseits aber zeugen Funde in Frankreich und Spanien davon, dass die Neandertaler auch vor einer systematischen Misshandlung und Verstümmelung ihrer Toten nicht zurückschreckten. Ob diese Leichenschändung allerdings im Rahmen eines Rituals geschah oder aber aus Kannibalismus, blieb bisher unklar.
Neue Funde in der Höhle von Goyet in Belgien haben nun mehr Klarheit in diese Frage gebracht. Insgesamt 99 neue Neandertaler-Knochen und Knochenfragmente haben Héléne Rougier von der California State University in Northridge und ihre Kollegen unter den zahlreichen Funden in der „Troisième Caverne“ des Höhlensystems identifiziert. Den Datierungen nach sind die Knochen zwischen 40.500 und 45.500 Jahre alt.
Schnitte, Kauspuren und Schläge
Das Spannende daran: Viele dieser Neandertaler-Kochen weisen auffällige Schäden und Bearbeitungsspuren auf. „Fast ein Drittel der Knochen trägt Schnittspuren“, berichten die Forscher. „Ihre Form stimmt mit denen überein, die beim Zerteilen und Entbeinen entstehen.“ Schnitte an den Innen- und Außenseiten der Rippenknochen sprechen für ein Aufbrechen des Brustkorbs. Einige Fingerknochen könnte sogar menschliche Kauspuren aufweisen, allerdings sei die Zuordnung hier nicht eindeutig, so die Forscher.