Astronomen haben so tief wie nie zuvor in das Herz des Orionnebels geblickt – und prompt Überaschendes gefunden. Denn im Zentrum dieser Sternenwiege gibt es zehnmal mehr Braune Zwerge und Objekte planetarer Masse als bisher angenommen. Rund die Hälfte aller Himmelskörper im Nebel gehören demnach zu diesen substellaren Zwergen. Das jedoch wirft ein neues Licht auf die Prozesse der Sternbildung im Orionnebel.
Der 1.350 Lichtjahre von uns entfernte Orionnebel ist ein Star unter den astronomischen Objekten: Von kaum einem Motiv gibt es so viele spektakuläre Aufnahmen wie von dieser Sternenwiege im Sternbild Orion. Dennoch sorgt der berühmte Nebel bis heute für Überraschungen. So entdeckten Astronomen erst vor wenigen Jahren, dass sich in seiner Mitte ein massereiches Schwarzes Loch verbirgt.
Astronomen um Holger Drass von der Ruhr-Universität Bochum ist es nun gelungen, einen so genauen Blick wie nie zuvor in das Zentrum des Orionnebels zu werfen. Die bislang tiefste und flächendeckendste Aufnahme seines Zentrums gelang ihnen mit dem HAWK-I-Infrarotinstrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile.
50 Prozent substellare Objekte
Das Ergebnis ist nicht nur ein Bild von beeindruckender Schönheit, sondern auch eine echte Überraschung. Denn die Aufnahme enthüllte, dass es im Orionnebel eine unerwartet große Zahl an Objekten mit niedriger Masse gibt. Die Forscher fanden zehnmal so viele lichtschwache Braune Zwerge und isolierte Objekte planetarer Masse als bisher angenommen.
„Die Entdeckung von 757 potenziellen Braunen Zwergen und 158 planetenähnlichen Objekten deutet auf einen hohen Anteil von rund 50 Prozent substellarer Objekte hin – das sind rund zehnfach mehr als zuvor geschätzt“, sagen Drass und seine Kollegen. Die meisten bisher bekannten Objekte im Sternennebel besaßen eine Masse von einem Viertel der Sonne und waren damit um rund eine Größenordnung schwerer.
Zwei „Buckel“ statt nur einem
Diese Entdeckung wirft ein neues Licht auf die Sternbildung im Orionnebel – und möglicherweise auch in anderen Sternenwiegen. Denn der Anteil großer und kleiner Sterne sowie substellarer Objekte in einer Sternbildungsregion kann verraten, welche Prozesse die Größe eines entstehenden Sterns beeinflussen. Gängiger Theorie nach können dies die im Sternennebel vorhandene Massendichte sein oder die Wechselwirkungen, die in diesem Nebel herrschen.
Häufig entspricht das Massenverhältnis einer eingipfeligen Kurve. Doch beim Orionnebel sind es dank der neuentdeckten Leichtgewichte nun zwei „Buckel: Einer bei den bereits bekannten Sternen von rund 0,25 Sonnenmassen und der nun neu hinzugekommene Ausschlag bei 0,025 Sonnenmassen. Das könnte bedeuten, dass das bisherige weithin akzeptierte Szenario der Sternentstehung im Orionnebel anders ablief als bislang angenommen.
Nachträglich weggeschleudert?
Wie die Astronomen erklären, passt die bimodale Kurve nicht zu der Theorie, dass die Masse der gebildeten Sterne primär von der Massenverteilung in der Gas- und Staubwolke abhängt. Stattdessen ließe sich der im Orionnebel entdeckte „Überschuss“ von massearmen Objekten eher durch starke Wechselwirkungen und Umwelteinflüsse im Sternennebel erklären.
Die Forscher vermuten, dass die Braunen Zwerge und planetaren Objekte nicht isoliert, jeder für sich im Orionnebel entstanden, sondern ursprünglich Teil von zirkumstellaren Scheiben um Protosterne waren. Erst nachträglich wurden sie dann durch Störeinflüsse aus ihren Orbits geschleudert und fliegen nun als „Einzelgänger“ durch den Nebel. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, in press; arXiv:1605.03600v1)
(ESO, 13.07.2016 – NPO)