Kosmischer Glücksfall: Astronomen haben erstmals die Schneegrenze von Wasser in einem jungen Planetensystem beobachtet. Diese für die Planetenbildung wichtige Übergangszone von Wasser zu Eis liegt normalerweise zu nah am Stern, um gesehen zu werden. Doch der junge Stern V883 Orionis leistete den Forschern Schützenhilfe: Durch einen Helligkeitsausbruch verschob er seine Wasser-Schneegrenze nach außen in sichtbare Bereiche, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Die Schneegrenze markiert in Planetensystemen die Zone, ab der Wasserdampf und andere Gase ausfrieren und zu Eis werden. Für die Planetenbildung ist sie damit entscheidend. Denn erdähnliche Gesteinsplaneten entstehen nur innerhalb der Schneegrenze von Wasser, große Gas- und Eisplaneten aber nur außerhalb. Denn nur dort sorgt das Eis für den Klebstoff, der Staubkörner und Gesteinsbrocken schnell genug zusammenhaften lässt, um diese planetaren Riesen zu bilden.
Unmöglich zu sehen?
Bereits 2013 war es Astronomen gelungen, zum ersten Mal überhaupt eine Schneegrenze in der protoplanetaren Scheibe um einen fremden Stern zu sehen: Mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) beobachteten sie Kohlenstoffmonoxid-Schneegrenze um den jungen Stern TW Hydrae.
Als nahezu unmöglich aber galt es bisher, die Wasser-Schneegrenze um einen sonnenähnlichen Stern abzubilden. Denn typischerweise liegt sie nur rund drei astronomische Einheiten (AU) vom Stern entfernt – und damit zu nah, um nicht vom Sternenlicht überstrahlt zu werden. Auch in unserem Sonnensystem lag diese Grenze einst zwischen Mars und Jupiter – und damit ebenfalls bei rund drei AU.
Ring in der Staubscheibe
Jetzt jedoch ist den Astronomen ein glücklicher Zufall zu Hilfe gekommen: Lucas Cieza von der Universität Diego Portales in Santiago de Chile und seine Kollegen untersuchten für ihre Studie den 1.350 Lichtjahre von uns entfernten jungen Stern V883 Orionis mit ALMA – eigentlich, um Lücken in dessen protoplanetarer Scheibe zu finden.
Doch dann endeckten sie stattdessen etwas Anderes: „Wir haben nichts davon gesehen, stattdessen fanden wir etwas in einer Entfernung von 40 astronomischen Einheiten vom Stern, das wie ein Ring aussah“, berichtet Cieza. Dieser lag damit in etwa so weit von seinem Stern entfernt wie der Pluto von der Sonne. An dieser gut erkennbaren Grenze sank die Helligkeit der Staubscheibe im Millimeterbereich der Strahlung plötzlich deutlich ab.
Helligkeitsausbruch als Helfer
Worum aber handelte es sich? Die Merkmale dieses Rings entsprachen denen, die man an der Wasser-Schneegrenze eines Planetensystems erwarten würde. „Die Temperatur an dieser Grenze passt besser zur Wasser-Schneegrenze als zur Schneegrenze von jedem anderen flüchtigen Bestandteil protoplanetarer Scheiben“, erklären die Forscher. Doch mit gut 40 AU lag dieser Ring eigentlich viel zu weit von seinem Stern entfernt.
Des Rätsels Lösung liefert das eigentümliche Verhalten von V883 Orionis. Denn dieser junge Stern erlebt immer wieder starke Strahlenausbrüche, bei denen sich seine Helligkeit plötzlich enorm zunimmt. Obwohl er nur etwa 30 Prozent massereicher ist als die Sonne ist er durch eine solche Eruption derzeit 400 Mal leuchtkräftiger und deutlich heißer als unser Heimatstern.
Dieser Ausbruch erklärt, warum die Wasser-Schneegrenze von V883 Orionis so weit außen liegt, statt wie üblich bei rund drei AU: Der gewaltige Energieausbruch vom Stern hat die Temperaturen in der ihn umgebenden Staubscheibe so weit angehoben, dass sich die Wassers-Schneegrenze weit nach außen verschoben hat – und damit in den Bereich, den ALMA abbilden kann.
Hin-und-Her als Normalfall?
Ohne diesen kosmischen Glücksfall und die hohe Auflösung von ALMA wäre es den Astronomen nicht gelungen, nun zum ersten Mal die Schneegrenze von Wasser in einer protoplanetaren Scheibe abzubilden. Der Ring um V883 Orionis liefert einen ersten Blick auf einen auch für unser Sonnensystem einst entscheidenden Einflussfaktor.
Spannend ist auch die Entdeckung, dass die Helligkeitsausbrüche junger Sterne die Wasser-Schneegrenze auf etwa das Zehnfache des üblichen Radius verschieben können. Denn gängiger Theorie nach sind solche Eruptionen in der Frühphase der meisten Planetensysteme durchaus häufig. Das Hin-und-Her der Schneegrenze könnte demnach sogar ein ganz normaler Teil der Planetenbildung sein – und muss daher künftig in den Modellen berücksichtigt werden. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature18612)
(ESO, NRAO, Nature, 14.07.2016 – NPO)