Medizin

Mikroplastik: Krankheitserreger als blinde Passagiere

Potenziell krankmachende Keime auf Plastikpartikeln in Nord- und Ostsee nachgewiesen

Mithilfe dieses Katamarans wurden Planktonproben von der Wasseroberfläche der Nord- und Ostsee genommen © Alfred-Wegener-Institut / Gunnar Gerdts

Per Anhalter an deutsche Küsten: Auf Mikroplastik-Partikeln aus Nord- und Ostsee haben Forscher erstmals potenziell krankmachende Bakterien nachgewiesen. Die Keime der Gattung Vibrio können Durchfall und Entzündungen auslösen und profitieren vor allem von sommerlichen Hitzewellen. Auf dem Mikroplastik können sie sich verbreiten und möglicherwiese sogar anreichern, wie die Forscher berichten.

Mikroplastik findet sich mittlerweile fast schon überall: Die winzigen Kunststoffpartikel schwimmen in Rhein, Donau und anderen Flüssen und Seen, aber auch in den Ozeanen und sogar in Getränken, Honig und Salz.

Schon länger ist bekannt, dass zumindest einige Organismen von den für die Tierwelt schädlichen Mikroplastik-Teilchen profitieren: Bakterien, Pilze und Kleinstalgen können auf der Oberfläche der Partikel Biofilme bilden und so geschützt unter einer Schleimschicht wachsen. Die Zusammensetzung dieser Biofilme variiert dabei abhängig von der Beschaffenheit der Oberfläche und dem umgebenden Wasser.

Wasserproben aus Nord- und Ostsee

Ob auf dem Mikroplastik der Nord- und Ostsee auch potenziell krankmachenden Keime der Gattung Vibrio wachsen, haben nun Gunnar Gerdts vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf Helgoland und sein Team untersucht. Zu den Vibrio-Bakterien gehört der Cholera-Erreger Vibrio cholerae, aber auch weitere Keime, die Durchfallerkrankungen oder schwere Entzündungen hervorrufen können

Für ihre Studie entnahmen die AWI-Wissenschaftler an 62 Stationen in Nord- und Ostsee Wasserproben und fischten zusätzlich Mikroplastik direkt unterhalb der Wasseroberfläche ab. Im Labor wurden Wasserproben und 185 Plastikpartikel mikrobiologisch und genetisch untersucht.

In dieser Wasserprobe aus der Nordsee sind verschiedene Vibrionen-Spezies vertreten, wie die farbigen Flecken zeigen. © Alfred-Wegener-Institut / Antje Wichels

Erster Nachweis auf Plastik-Partikeln

Das Ergebnis: Auf 19 Mikroplastik-Partikeln wiesen die Forscher tatsächlich erstmals Vibrionen nach. „Das zeigt, dass die Krankheitserreger möglicherweise auf den Partikeln hitchhiken, sich also per Anhalter innerhalb eines Ökosystems verteilen und auch darüber hinaus verbreiten können“, sagt Gerdts. „Sollte sich in der Zukunft zeigen, dass mit Vibrionen aufgeladene Mikroplastikpartikel regelmäßig vorkommen, gibt das Anlass zur Sorge, da Biofilme allgemein höhere Bakterien-Dichten aufweisen als das Freiwasser.“

Zwar gehörten die gefundenen Vibrio-Bakterien nicht zu den krankheitserregenden Genotypen. Der Fund belegt aber, dass diese Bakteriengattung sich grundsätzlich auf Mikroplastik ansiedeln kann, sodass künftig auch gefährlichere Erreger dieser Gruppe durchaus vorkommen könnten. Schon jetzt wird das Meerwasser daraufhin überwacht: „An der Nord- und Ostseeküste untersuchen die Landesuntersuchungsämter bereits exemplarisch Wasserproben hinsichtlich Vibrio-Spezies“, so Gerdts.

Risiko vor allem bei Hitze hoch

Das Risiko für krankmachende Keime in Meerwasser und auf dem Mikroplastik könnte künftig noch weiter steigen: „Vibrionen sind Klimawandel-Gewinner, weil ihre Anzahl bei hohen Temperaturen in die Höhe schnellt“, erklärt Gerdts. Überschreitet die Wassertemperatur 22 Grad, können sich die Bakterien explosionsartig vermehren.

Dadurch nimmt – beispielweise bei sommerlichen Hitzewellen – die Wahrscheinlichkeit zu, dass in Nord- und Ostsee potentiell krankheitserregende Vibrio-Bakterien auftreten. Gerade in küstennahen Gebieten der Ostsee kam es in der Vergangenheit bei Hitzewellen immer wieder zu Krankheits- und auch Todesfällen, hervorgerufen durch das Bakterium Vibrio vulnificus. (Marine Environmental Research, 20156; doi: 10.1016/j.marenvres.2016.07.004)

(Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, 22.07.2016 – NPO)

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