„Geisterteilchen“ bleibt unsichtbar: Die Existenz einer vierten Neutrino-Sorte wird immer unwahrscheinlicher. Physiker haben auch nach zwei Jahren der Suche mit dem IceCube-Neutrino-Detektor am Südpol keinerlei Hinweise auf sterile Neutrinos gefunden. Würde es sie geben, erforderten diese Teilchen zwar eine Ergänzung des Standardmodells, könnten aber vielleicht Phänomene wie die Dunkle Materie oder die Asymmetrie von Materie und Antimaterie erklären.
Neutrinos besitzen so gut wie keine Masse und wechselwirken nur minimal mit normaler Materie. Das macht ihren Nachweis schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die drei bekannten Neutrino-Sorten im Flug in eine andere Sorte umwandeln können. Doch gerade bei diesen sogenannten Neutrino-Oszillationen haben Physiker immer wieder seltsame Abweichungen entdeckt: Mehrere Detektoren wiesen Oszillationen nach, die allein durch die drei bekannten Neutrino-Sorten nicht erklärbar sind.
Wechselwirkung nur mit Gravitation
Deshalb vermuten einige Physiker, dass es eine vierte Sorte geben muss, die sterilen Neutrinos. „Steril bedeutet, dass diese Teilchen gar nicht mit normaler Materie wechselwirken“, erklärt Francis Halzen von der University of Wisconsin-Madison. „Dafür aber können sie die Wechselwirkung der konventionellen Neutrinos mit Materie dramatisch beeinflussen.“
Das Problem dabei: Die Existenz eines solchen vierten Neutrino-Sorte widerspricht dem Standardmodell der Teilchenphysik und erfordert mindestens eine Ergänzung des gängigen physikalischen Weltbilds. Andererseits könnten sterile Neutrinos einige bisher rätselhafte Phänomene erklären helfen, darunter die Dunkle Materie und vielleicht sogar die Asymmetrie von Materie und Antimaterie.
Resonanz als Indiz
Doch nun sieht es so aus, als wenn es die sterilen Neutrinos vielleicht doch nicht geben würde. Denn der IceCube-Neutrinodetektor in der Antarktis hat die bisher umfangreichste Suche nach dieser Teilchensorte abgeschlossen, ohne fündig zu werden. Halzen und seine Kollegen hatten dafür zwei Jahre an Neutrinodaten dieses Detektors ausgewertet – pro Jahr sind dies rund 100.000 Neutrino-Ereignisse.
Die Forscher analysierten dabei gezielt Neutrino-Spuren im Bereich von 320 Gigaelektronenvolt (GeV) bis 20 Teraelektronenvolt (TeV). Sollte es sterile Neutrinos geben, müssten sie den theoretischen Modellen nach bei diesen Ereignissen eine auffallende Signatur hinterlassen. „Sie erzeugen eine Resonanz“, erklärt Halzen. „Und das hat einen dramatischer Effekt auf die Daten – den man entweder sieht oder eben nicht.“
Kein Signal registriert
In den IceCube-Daten war dieser Effekt jedoch nicht zu finden, wie die Physiker berichten. „Wir haben keine sterilen Neutrinos gefunden“, sagt IceCube-Forscher Ben Jones von der University of Texas. „Zwar können wir ihre Existenz nicht komplett ausschließen, aber wenn die bisher beobachteten Phänomene auf sie zurückzuführen sind, hätten wir ein Signal finden müssen.“
Die Forscher sind sich nach dieser Suche zu 99 Prozent sicher, dass sterile Neutrinos es dort, wo vorherige Experimente Indizien dafür gefunden haben wollen, keine sterilen Neutrinos gibt. Das bedeute zwar nicht, dass die hypothetischen Teilchen gar nicht existieren, mache es aber sehr unwahrscheinlich. (Physical Review Letters, 2016; doi: 10.1103/PhysRevLett.117.071801)
(University of Wisconsin-Madison, 09.08.2016 – NPO)