Hier lebt nichts mehr: In der Ostsee breiten sich immer mehr sauerstoffarme „Todeszonen“ aus. Wie sich diese Gebiete seit 1969 entwickelt haben, haben Meeresforscher nun in 250 Karten zusammengestellt und veröffentlicht. Sie zeigen die Ausdehnung dieser Areale in ihrer räumlichen und zeitlichen Dynamik und sollen dabei helfen, dieses Phänomen und seine Entwicklung besser zu erforschen.
Sie sind typisch für die Ostsee: Immer wieder bilden sich in den tieferen Becken dieses Binnenmeeres sauerstoffarme „Todeszonen“. Sie entstehen, weil das Wasser der Ostsee wenig durchmischt und stark geschichtet ist: An der Oberfläche strömt „süßeres“, sauerstoffreiches Wasser aus den vielen Flussmündungen ein, während sich salziges, sauerstoffarmes Wasser am Meeresboden sammelt. Dort zehren Bakterien weiter Sauerstoff und bilden Schwefelwasserstoff, so dass dort kein höheres Leben mehr existieren kann.
Todeszonen wachsen
Das Problem dabei: Diese „Todeszonen“ der Ostsee werden mehr und breiten sich seit einigen Jahrzehnten immer weiter aus. Die Ursachen dafür sind zum einen die Überdüngung des Wassers durch Nährstoffeinträge über die Flüsse. Zum anderen ist es der Klimawandel, der das Wasser erwärmt, aber auch die Windverhältnisse verändert.
Dadurch kommt es immer seltener zu einem ausreichenden Nachschub von sauerstoffreichem, kalten Wasser aus der Nordsee. Wurden seit 1880 bis in die 1980er Jahre hinein noch etwa sechs bis sieben solcher Ereignisse pro Jahrzehnt registriert, waren es in den letzten 30 Jahren nur noch drei, wie Forscher des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) berichten. Durch die größeren Pausen hält der akute Sauerstoffmangel nun länger an und dehnt sich räumlich weiter aus.
Rund 250 Karten aus gut 40 Jahren
Um die Entwicklung der „Todeszonen“ besser verfolgen und erforschen zu können, haben die IOW-Forscher nun erstmals einen umfangreichen Kartensatz veröffentlicht, der die Lage und Größe der Sauerstoffminimumzonen in der Ostsee von 1969 bis 2015 zeigt. Das Kartenwerk enthält für jedes Jahr drei bis fünf Karten zur Ausdehnung der Sauerstoffmangel- und Schwefelwasserstoff-Zonen plus einer zusätzlichen Karte, die die Veränderungen innerhalb eines Jahres zusammenfasst.
Die hydrographischen und physikalisch-chemischen Daten für diese rund 250 Karten stammen von bis zu 60 verschiedenen Messstationen in der Ostsee. Sie erlauben eine visuelle Einschätzung von Einstromereignissen, vom Ausmaß der Sauerstoff zehrenden Prozesse und von der Entwicklung der anoxischen Gebiete sowohl in der jahreszeitlichen Dynamik als auch über längere Zeiträume.
Zudem ist vorgesehen, die Kartensammlung, die bereits jetzt komplett online verfügbar ist, als Service für Wissenschaftler und andere Fachleute jährlich mit jeweils aktuellem, zitierfähigem Kartenmaterial zu ergänzen.
(Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, 10.08.2016 – NPO)