Schall als Analogon: Ein Physiker könnte erstmals experimentell belegt haben, dass Schwarze Löcher nicht schwarz sind. Denn er hat im Labor ein Schwarzes Loch für Schallwellen konstruiert, das das bisher überzeugendste Analog zur Hawking-Strahlung aussendet, wie der Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“ berichtet. Im Experiment entstanden virtuelle Teilchen, von denen eines verschluckt und das andere freigesetzt wurde – wie für echte Schwarze Löcher angenommen.
Der britische Physiker Stephen Hawking postulierte es schon in den 1970er Jahren: Es gibt doch ein Entkommen aus dem Schwarzen Loch. Denn durch Quantenfluktuationen bilden sich auch im scheinbar leeren Raum ständig Paare von virtuellen Teilchen und ihren Antiteilchen. Liegt jedoch eines davon diesseits, das andere jenseits des Ereignishorizonts, löschen sie sich nicht gegenseitig aus, wie normalerweise der Fall.
Konsens, aber nie nachgewiesen
Stattdessen wird ein Teilchen ins Schwarze Loch gezogen, das andere kann entkommen. Diese „entkommenen“ Teilchen bilden die Hawking-Strahlung, so die Theorie. Diese Strahlung ist umso stärker, je masseärmer das Schwarze Loch ist. Bei mikroskopisch kleinen Löchern sorgt diese Strahlung sogar dafür, dass sie im Laufe der Zeit schrumpfen und sich komplett in Strahlung auflösen.
Doch obwohl diese Theorie mittlerweile gut 40 Jahre alt ist, ist es bisher noch nie gelungen, diese Strahlung eindeutig nachzuweisen. Das Problem: Bei einem stellaren oder sogar noch größeren Schwarzen Loch ist die Hawking-Strahlung schlicht zu schwach, um messbar zu sein. Forscher weltweit versuchen daher schon seit geraumer Zeit, in Laboren Bedingungen zu erzeugen, die ein Analog zu denen in einem Schwarzen Loch darstellen.
Schall statt Licht und Materie
Einer dieser Wissenschaftler ist Jeff Steinhauer vom Technion in Haifa. Ihm könnte es nun erstmals gelungen sein, einem solchen Analog zu einem Schwarzen Loch zumindest sehr nahe zu kommen. Sein Experiment basiert auf der Theorie, dass von ihrem Medium mitgerissene Schallwellen ähnlich unausweichlich gefangen sind wie ein Objekt jenseits des Ereignishorizonts im Schwarzen Loch.
Im Labor lässt sich daher eine Art Schwarzes Loch für Schall konstruieren. Dafür kühlte Steinhauer eine Wolke Rubidium-Atome zunächst bis knapp über den absoluten Nullpunkt herunter. Die Atome werden dadurch zu einem Bose-Einstein-Kondensat. In diesem Quantenzustand lässt sich ihr Verhalten nur noch über Wellen beschreiben, sie bilden keine unabhängigen Einzelpartikel mehr.
Ereignishorizont aus ultrakalten Atomen
Unter diesen Extrem-Bedingungen bewegt sich auch Schall nur noch langsam, nur mit rund einem halben Millimeter pro Sekunde. Und das macht es möglich, ein spezielles Phänomen des Bose-Einstein-Kondensats zu untersuchen: Ähnlich wie im Vakuum des Alls virtuelle Teilchen entstehen, bilden sich im Atom-Kondensat spontane Dichtepulse, sogenannte Phononen.
Und hier kommt die Analogie zum Schwarzen Loch ins Spiel: Durch einen Laser erzeugte Steinhauer im Kondensat eine Zone, in der sich die Atome mit einem Millimeter pro Sekunde bewegten – mit für diese Bedingungen Überschallgeschwindigkeit. Entstanden nun spontan Phononen in diesem Teil des Kondensats, wurden sie mitgerissen wie die virtuellen Teilchen jenseits des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs.
Beweis für Hawking-Strahlung?
Und nun beobachtete Steinhauer das Entscheidende: „Unsere Messungen zeigen Korrelationen zwischen Punkten beiderseits des Ereignishorizonts“, erklärt der Forscher. Offenbar bildeten sich im Konsensat Paare von miteinander verschränkten Phononen, von denen dann eines mitgerissen wurde, das andere aber entkommen konnte – wie bei virtuellen Teilchen im Schwarzen Loch.
Das Schall-Analaog zum Schwarzen Loch ist daher nicht still, sondern würde ein leises Rauschen erzeugen – wenn die entweichenden Phononen hörbar wären. Nach Ansicht von Steinhauer ist dies daher ein echtes Äquivalent zur Hawking-Strahlung bei einem Schwarzen Loch: „Die Messungen bestätigen die Quantennatur der Hawking-Strahlung“, so der Physiker.
„Bisher überzeugendster Beleg“
Nach Ansicht der „Nature“-Editoren liefert Steinhauers Experiment den bisher überzeugendsten Beleg für ein Analog der Hawking-Strahlung. „Sein Versuch könnte einer experimentellen Beobachtung der Hawking-Strahlung bisher am nächsten kommen“, heißt es im Magazin. „Das ist auf jeden Fall ein wegbereitendes Paper“, kommentiert auch der Physiker Ulf Leonhardt vom Weizmann Institute of Science in Rehovot.
Noch allerdings ist der Beweis der Hawking-Strahlung unvollständig. Denn Steinhauer konnte die Verknüpfung der Phononen-Paare in seinem Kondensat bisher nur für energiereiche Schallpulse beobachten. Zudem ist nach wie vor offen, ob sich die Aussagen aus solchen Analog-Versuchen auf echte kosmische Schwarze Löcher übertragen lassen.
Dennoch: „Wenn Steinhauers Ergebnisse bestätigt werden, wäre dies ein Triumpf für Hawking – ähnlich wie die Entdeckung des Higgs-Bosons ein Triumpf für Peter Higgs und seine Kollegen war“, kommentiert Leonard Susskind von der Stanford University in Nature News. (Nature Physics, 2016; doi: 10.1038/nphys3863)
(Nature, 17.08.2016 – NPO)