Archäologie

Verborgener Mixteken-Codex entdeckt

Forscher machen übermaltes Manuskript in 500 Jahre altem Codex sichtbar

Die Rückseite von Seite 11 im Codex Selden ist von heller Grundierung übermalt (links), doch darunter haben Forscher Teile eines weiteren Codex sichtbar gemacht (rechts) © The Bodleian Libraries/ University of Oxford

Übermalte Zeichen: Versteckt unter einem fast 500 Jahre alten Codex der Mixteken haben Forscher ein älteres Manuskript entdeckt. Mit Hilfe der Hyperspektral-Bildgebung machten sie unter der weißen Grundierung des Codex weitere bunte Figuren und Symbole sichtbar. Diese stellen neue, bisher unbekannte Ereignisse und Inhalte dar und könnten daher ganz neue Einblicke in die Geschichte dieser präkolumbianischen Kultur geben.

Viele präkolumbianische Kulturen, darunter auch die Maya, hielten wichtige Ereignisse in Codices fest – auf Tierhaut gezeichneten, ziehharmonikaartig gefalteten Manuskripten. Von diesen blieben nur sehr wenige erhalten. Einer davon ist der fünf Meter lange Codex Selden, ein um 1560 von den Mixteken niedergeschriebenes Dokument. Auf der weißen Grundierung berichten Symbole, Bilder und Farben von Herrscherdynastien und geschichtlichen Ereignissen dieser einst in Mexiko verbreiteten Kultur.

Ist der Codex Selden ein Palimpsest?

Schon seit längerem hatten Historiker jedoch den Verdacht, dass sich unter der Grundierung des Codex Selden ältere Aufzeichnungen verbergen könnten. Denn in einigen Kratzern auf der Rückseite des Codex war etwas Farbiges zu erkennen. Weil aber die Mixteken organische Pigmente nutzen, ließen sich diese möglicherweise verborgenen Zeichen nicht per Röntgenlicht sichtbar machen, wie bei anderen alten Manuskripten der Fall.

Abhilfe hat nun die hochmoderne Technik der Hyperspektral-Analyse gebracht. Dabei wird ein Schriftstück in verschiedenen, eng beieinander liegenden Wellenlängen des Lichts durchleuchtet und fotografiert. Durch spezielle Filter und Software lassen sich diese Teilbilder so kombinieren, dass sie zuvor Unsichtbares sichtbar werden lassen.

Bunte Figuren und Symbole enthüllt

„Nach vier bis Jahren des Ausprobierens verschiedener Techniken haben wir so eine Fülle von verborgenen Bildern enthüllt, ohne dieses extrem sensible Manuskript zu beschädigen“, berichtet Studienleiter Ludo Snijders von der Universität Leiden. „Wir können nun bestätigen, dass der Codex Selden tatsächlich ein Palimpsest ist.“ Als Palimpsest bezeichnen Historiker mehrfach verwendete, recycelte Pergamente oder sonstige Manuskripte.

Bei der Hyperspektral-Bildgebung werden Aufnahmen in verschiedenen Wellenlängen kombiniert (oben). Unten die auf dieser Technik basierende Rekonstruktion der beiden Codex-Seiten. © Universität Leiden

In den Aufnahmen sind teilweise mehr als 20 zuvor unsichtbare Figuren pro Codex-Seite zu sehen, die in stehender oder sitzender Haltung abgebildet sind. Die gelb, orange und rot gezeichneten Figuren tragen teilweise Stöcke oder Speere, es gibt einige Frauen mit roten Haaren oder roten Kopfschmuck und es sind Ortssymbole mit dem Zeichen für Fluss zu erkennen, wie die Forscher berichten.

Ganz neue Inhalte

Das Spannende daran: Dieses Mixteken-Manuskript ist nicht nur älter als der Codex Selden, es enthält auch völlig neue Inhalte: „Der Text, den wir gefunden haben, passt zu keinem der anderen frühen Mixteken-Manuskripte“, berichtet Snijders. „Die Genealogie, die hier dargestellt ist, scheint einzigartig zu sein – sie könnte sich damit als unschätzbar für die Interpretation archäologischer Relikte aus dem Süden Mexikos erweisen.“

Eine der Figuren taucht wiederholt auf den neu enthüllten Seiten auf. Es handelt sich um eine Gestalt, die durch ein großes Symbol in Form einer verwundenen Kordel und eines Feuersteinmessers gekennzeichnet ist. Wie die Forscher berichten, ähnelt dieses Symbol dem in zwei anderen bekannten Codices. Es könnte einen wichtigen Ahnherrn zweier Mixteken-Stämme darstellen, deren Überreste bei Ausgrabungen in Zaachila und Teozacualco in Mexiko gefunden wurden.

Bisher haben die Forscher erst sieben der 20 Seiten des Codex Selden auf verborgene Zeichen hin angesucht. Sie vermuten aber, dass das übermalte Manuskript auch unter den restlichen Seiten weitergeht. „Die Hyperspektral-Bildgebung hilft uns sehr darin, die Geschichte dieses versteckten Codex zu rekonstruieren und neue Informationen über die mixtekische Geschichte und Archäologie zutage zu fördern“, sagt Koautor David Howell von der Bodleian Library in Oxford. (Journal of Archaeological Science: Reports, 2016; doi: 10.1016/j.jasrep.2016.07.019)

(Universität Leiden /Elsevier, 23.08.2016 – NPO)

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