Eine echte Rarität: Ein in Kanada entdecktes Fossil hat sich als einer der kleinsten bekannten Flugsaurier der Kreidezeit entpuppt: Der 77 Millionen Jahre alte Pterosaurier hatte eine Flügelspannweite von 1,50 Metern – und war damit nur so groß wie eine Silbermöwe. Sein Fund belegt erstmals eindeutig, dass diese Mini-Drachen damals noch existierten und nicht durch die Konkurrenz der Vögel verdrängt wurden.
Am Himmel waren sie die Herrscher: Mit Flügelspannweiten von bis zu zwölf Metern sind die Flugsaurier der Kreidezeit bis heute die größten fliegenden Tiere überhaupt. Wegen ihrer enormen Größe hatten sie möglicherweise Startprobleme, konnten dafür aber umso besser langsam fliegen.
Rätselhaft Fossilien-Lücke
Eines aber gibt Paläontologen Rätsel auf: Obwohl man sogar schon ganze Kolonien fossiler Flugsaurier gefunden hat, sind nahezu alle Fossilien dieser Urzeit-Echsen groß bis mittelgroß. „Auffallend fehlend sind Fossilien von kleineren Flugsauriern mit weniger als zwei Metern Flügelspannweite“ , erklären Elizabeth Martin-Silverstone von der University of Southampton und ihre Kollegen.
Ob dies daran liegt, dass diese kleinen Pterosaurier damals kaum vorkamen, oder ob diese kleineren Arten einfach nur nicht erhalten blieben, war bisher unklar. Ein auf Hornby Island in British Columbia von einem Hobbysammler entdecktes Fossil könnte nun die Antwort liefern. Martin-Silverstone und ihre Kollegen haben diese zehn rund 77 Millionen Jahre alten Knochen – darunter ein vollständiger Oberarmknochen und einige Rückenwirbel – genauer untersucht.
Pterosaurier im Möwenformat
Bei dem Fossil handelt es sich um einen Vertreter der Azhdarchoidea, einem in der späten Kreidezeit verbreiteten, zahnlosen Kurzschwanz-Flugsaurier, wie die Forscher berichten. Aus der Länge des Oberarmknochens schließen sie, dass dieser Saurier eine Flügelspannweite von nur rund 1,50 Metern hatte. Das entspricht in etwa der einer Silbermöwe. Er ist damit einer der kleinsten jemals gefundenen Pterosaurier.
„Dieses Exemplar war nicht bloß ein Jungtier einer größeren Art, sondern scheint einer von Natur aus kleinen Art anzugehören“, berichtet Koautor Mark Witton von der University of Portsmouth. „Denn anhand seiner Knochenstruktur und der Verschmelzung seiner Wirbel konnten wir erkennen, dass dieses Tier trotz seiner geringen Größe fast ausgewachsen war.“
Nicht von den Vögeln verdrängt
Der kleine Flugsaurier belegt erstmals, dass es auch in der späten Kreidezeit noch kleine Pterosaurier-Arten gab. Die urzeitlichen Herrscher der Lüfte kamen demnach in allen Größenordnungen vor – von riesig bis zu bloß vogelgroß. Das widerspricht der Theorie, nach der die Vögel damals schon alle kleinen Flugsaurier abgelöst und verdrängt hatten.
Stattdessen könnte die scheinbare Abwesenheit der kleineren Arten eine ganz andere Ursache haben: „Die hohlen Knochen der Flugsaurier sind selbst bei großen Arten nur sehr schlecht konserviert“, erklärt Martin-Silverstone. „Ein kleiner Pterosaurier wäre daher wahrscheinlich nur sehr selten erhalten geblieben.“ Die Haltbarkeit der fragilen Knochen über die Jahrmillionen hinweg ist einfach zu gering.
Dies könnte auch erklären, warum es bisher so gut wie keine Funde von Jungtieren der großen Flugsaurier gibt – ihre Knochen waren ebenfalls zu fein, um erhalten zu bleiben. (Royal Society Open Science, 2016; doi: 10.1098/rsos.160333)
(University of Southampton, 31.08.2016 – NPO)