Fatale Fernwirkung: Das durch den Klimawandel aufgeheizte Mittelmeer ist schuld an häufigeren Starkregen und Jahrhundert-Hochwassern in Mitteleuropa. Denn die von Süden heranziehenden Tiefdruckgebiete „tanken“ über dem warmen Mittelmeerwasser mehr Feuchtigkeit – und regnen sie dann bei uns ab. Die berüchtigten, regenreichen Vb-Wetterlagen über Mitteleuropa haben sich dadurch um 17 Prozent verstärkt, wie Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Sie gelten als verheerende Regenbringer: Wenn Tiefdruckgebiete aus dem Süden über Mitteleuropa hereinziehen, dann drohen oft Starkregen und Hochwasser. Denn die Luftmassen dieser sogenannten Vb-Wetterlagen haben über dem Mittelmeer viel Wasserdampf aufgenommen – und dieser fällt dann bei uns als sintflutartiger Regen. Auf das Konto solcher Tiefdruckgebiete gehen unter anderem die Jahrhundert-Hochwasser in den Jahren 2002, 2010 und 2013.
Klimatische Widersprüche
Ob und wie sehr diese Starkregenfälle und Überschwemmungen häufiger geworden sind, dazu gab es bisher widersprüchliche Daten. Denn den Klimamodellen nach müssten die Vb-Wetterlagen, die Tiefdruckgebiete aus dem Mittelmeer zu uns führen, sogar eher seltener werden. Dennoch sprechen die häufigen Hochwasser der letzten Jahre eher für eine Verstärkung dieser Wetterextreme.
Um diese Widersprüche zu klären, haben Claudia Volosciuk vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gezielt den Einfluss des Mittelmeeres auf die regenreichen Vb-Wetterlagen untersucht. Denn seine Wassertemperaturen haben sich in den letzten Jahrzehnten überproportional stark erhöht. Dafür werteten sie Wetterdaten aus und nutzen Klimamodelle, um Luftmassenbewegungen und Regenfälle der Zeit von 1970 bis 2012 nachzubilden.
„Tankstelle“ Mittelmeer
Und tatsächlich: Die Forscher entdeckten einen direkten Zusammenhang zwischen den Wassertemperaturen im Mittelmeer und der Heftigkeit der Regenfälle aus den von dort nach Mitteleuropa ziehenden Tiefdruckgebieten. Vor allem die höhere Verdunstung über dem westlichen Mittelmeer erwies sich dabei als „Brutstätte“ für die regenschwangeren Luftmassen.
„Die zusätzliche Feuchtigkeit wird von den Vb-Zyklonen nach Mitteleuropa transportiert und erhöht somit die Wahrscheinlichkeit, dass es im Zusammenhang mit den Vb-Zyklonen zu höheren Niederschlagsmengen kommt“, berichtet Koautor Mojib Latif vom GEOMAR. Das wiederum fördert Überschwemmungen und „Jahrhundert-Hochwasser“.
Um 17 Prozent verstärkt
Wie die Analysen ergaben, hat sich die Intensität der Starkregenfälle gegenüber der Zeit von 1970 bis 1999 bereits um 17 Prozent erhöht. Besonders betroffen ist von den stärkeren Regenfällen der Südosten Mitteleuropas und damit die Länder entlang der Donau. Am wenigsten bekommt die Verstärkung der Nordosten Deutschlands zu spüren – allerdings kommt das Wasser über die Flüsse auch dort an und löst Überschwemmungen aus.
Für die Zukunft sagen die Klimaforscher wenig Besserung voraus – eher im Gegenteil. Denn durch den Klimawandel werden die Wassertemperaturen des Mittelmeeres weiter ansteigen – und damit „tanken“ die Tiefdruckgebiete dort immer mehr Feuchtigkeit. „Dies könnte die Starkregenfälle in Zentraleuropa weiter intensivieren und damit Überschwemmungen noch größere Schäden verursachen lassen“, sagt Volosciuk. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep32450)
(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 12.09.2016 – NPO)