Sonnensystem

Als die Erde fast verdampfte

Kollision vor 4,5 Milliarden Jahren war heftiger als bisher gedacht

Die frühe Kollision der Erde mit einem Protoplaneten war möglicherweise heftiger als bisher gedacht. © NASA/JPL-Caltech

Wie ein Schlag mit dem Vorschlaghammer in eine Wassermelone: Die Urzeit-Kollision der Erde mit einem Protoplaneten könnte heftiger verlaufen sein als angenommen. Kalium-Isotope im Mondgestein deuten darauf hin, dass vor 4,5 Milliarden Jahren ein Großteil des Erdgesteins und der komplette Impaktor verdampften. Erst durch Wiedererstarren dieser Wolke bildete sich der Erdmantel und weiter außen entstand der Mond, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Der Erdmond entstand durch eine urzeitliche Katastrophe – die Kollision der Erde mit einem Protoplaneten. Die Trümmer dieser Kollision sammelten sich in einer Umlaufbahn um die Erde und bildeten nach einiger Zeit den Mond – soweit die gängige Theorie. Doch sie hat einen Haken: Mond und Erde sind in ihren Isotopen-Zusammensetzungen nahezu identisch, obwohl der Mond durch die Überreste des Protoplaneten anders sein müsste.

Planetenforscher suchen daher nach einem Kollisions-Szenario, das diese rätselhaften Übereinstimmungen erklären kann. Einige spekulieren, dass der Protoplanet eine Art Erdzwilling gewesen sein muss, andere versuchen, in der Art des Einschlags und der Bildung des Mondes eine Erklärung zu finden.

Mehr schweres Kalium auf dem Mond

Jetzt liefert eine Isotopenmessung Indizien gegen einen „Erdzwilling“ als Impaktor und für einen besonders heftigen Zusammenstoß. Kun Wang von der Harvard University und sein Kollege Stein Jacobsen haben für ihre Studie die Kalium-Isotope von vier verschiedenen irdischen Gesteinen und von sieben Mondgesteinsproben der Apollo-Missionen analysiert.

Das Ergebnis: Im Mondgestein kam das schwerere Kalium-Isoton Kaliuim-41 um vier Tausendstel häufiger vor als im irdischen Gestein. „Dies ist das erste Mal, dass die Kalium-Isotopen-Signatur von verschiedenen planetaren Objekten so genau bestimmt werden konnte“, konstatieren die Forscher. Und es ist einer der wenigen bisher bekannten Unterschiede zwischen Erde und Mond.

Die Kollision verdampfte den Protoplaneten und einen Großteil des irdischen Gesteins und bildete eine Wolke aus superkritischem Fluid. © Kun Wang

Impaktor und Erdmantel verdampft

Wie die Wissenschaftler erklären, kann diese Kalium-Anreicherung nur zustande kommen, wenn die Kollision von Erde und Protoplanet schräg und sehr heftig verlief – so heftig, dass der Impaktor und ein Großteil der jungen Erde komplett verdampften. Dies widerspreche Szenarien, die von einem eher langsamen „Streifschuss“ ausgehen, so Wang und Jacobsen.

Die Erde wurde durch die Kollision in schnelle Rotation versetzt, die auch die Wolke der heißen Gesteinsdämpfe im Orbit in schnelle Bewegung versetzte. Sie nahm einen Raum ein, der rund 500 Mal größer war als der Durchmesser der heutigen Erde, wie die Forscher erklären. Durch die Bewegung durchmischten sich die Gesteinsdämpfe von Erde und Protoplanet – was die Ähnlichkeiten in vielen Isotopenverhältnissen erklären könnte.

Selektiv kondensiert

Der entscheidende Schritt folgte, als sich diese Wolke abzukühlen begann: Weil schwerere Kaliumisotope unter den Bedingungen am Außenrand der Wolke zuerst kondensierten, reicherten sie sich in dem dort entstehenden Mond an, so das Szenario der Forscher. Der Rest des verdampften Materials kristallisierte dagegen gleichmäßiger aus und fiel nach einiger Zeit wieder auf die junge Erde zurück. Aus diesem Material entstand der Erdmantel.

Die von Wang und Jacobsen ermittelten Kalium-Werte stützen damit das Modell eines energiereichen Impakts. „Unsere Ergebnisse liefern die erste harten Belege dafür, dass der Impakt die Erde tatsächlich größtenteils verdampfen ließ“, sagt Wang. Hätte es eine langsame, weniger heftige Kollision gegeben, dann wären die Bedingungen in der Trümmerwolke andere gewesen und der Mond müsste daher heute weniger schwere Kalium-Isotope enthalten als die Erde. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature19341)

(Washington University in St. Louis, 13.09.2016 – NPO)

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