Sonnensystem

Rätsel der Asteroiden-Ringe gelöst?

Fast-Kollisionen mit den großen Gasplaneten könnten die Ringbildung verursachen

Blick auf die Ringe des Asteroiden Chariklo, einem 250 Kilometer-Brocken im äußerern Sonnensystem © ESO/L. Calçada/ Nick Risinger

Seltsames Phänomen: Warum gibt es so wenig Asteroiden mit Ringen – und nur im äußeren Sonnensystem? Dafür könnten nun Forscher eine Erklärung gefunden haben. Demnach entstehen solche Ringe nur, wenn Asteroiden so nahe an einem der Gasplaneten vorbeifliegen, dass ihr eisiger Mantel weggerissen wird. Sollte sich das bestätigen, dann könnt es zwischen Jupiter und Neptun noch viele unentdeckte „Ringträger“-Asteroiden geben.

Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun: Sie galten lange als die einzigen Himmelskörper mit Ringen im Sonnensystem. Doch 2014 machten Astronomen eine überraschende Entdeckung: Chariklo, ein 250 Kilometer großer Asteroid im äußeren Sonnensystem, besitzt ebenfalls zwei Ringe. Wenig später wurde noch ein weiterer Asteroid mit Ring entdeckt – Chiron. Beide gehören zu den Zentauren – Brocken aus Gestein und Eis, die zwischen den Bahnen von Jupiter und Neptun kreisen.

Rätsel der Ringbildung

Die große Frage aber ist: Woher haben die beiden Zentauren ihre Ringe? Dazu gibt es mehrere Hypothesen: Einige Forscher vermuten, dass es sich um Trümmer von Kollisionen der Asteroiden mit anderen Objekten handelt. Andere vermuten in den Ringen Fragmente eines zerfallenen Trabanten oder Staubteilchen, die durch Ausgasung von der Asteroidenoberfläche ins All gelangten.

Doch all diese Prozesse könnten auch bei anderen, weiter innen oder weiter außen im Sonnensystem kreisenden Objekten auftreten. Sie erklären nicht, warum solche Materialgürtel bisher nur von Himmelskörpern im Bereich von Jupiter bis Neptun bekannt sind. Eine alternative Lösung für dieses Rätsel haben nun Ryuki Hyodo von der Universität Kobe und seine Kollegen in Modellsimulationen überprüft.

Simulationen der TRümmerverteilung nach einem nahen Vorbeiflug: Nur unter bestimmten Bedingungen entsteht eine Materiescheibe, aus der ein Ring werden kann. © Hyodo et al./ Astrophysical Journal Letters

Weggerissener Eismantel

Ausgangspunkt ihrer Überlegungen waren die Flugbahnen der Zentauren: Ihre Orbits sind sehr instabil und kreuzen häufig die Umlaufbahnen der großen Gasplaneten. In rund zehn Prozent der Fälle kommen sie diesen bis auf zwei Planetenradien nahe, wie die Forscher berichten. In dieser Entfernung wirken starke Gezeitenkräfte auf den vorbeifliegenden Asteroiden ein und können ihn sogar zerreißen.

Anders ist dies jedoch, wenn das Innere des Asteroiden in einen steinernen Kern und einen eisigen Mantel differenziert ist – wie es bei größeren Objekten oft der Fall ist. „Wenn das Objekt dann in 0,4 bis 0,8 Planetenradien vorbeifliegt, bleibt sein Kern intakt und die Gezeitenkräfte reißen nur den eisigen Mantel dieser Asteroiden weg“, berichten Hyodo und seine Kollegen.

Sogar Monde können entstehen

Wie ihre Modellsimulationen ergaben, reicht die Schwerkraft eines solchen Asteroiden gerade aus, um die eisigen Trümmer in einer Umlaufbahn zu halten. Stimmt auch die Rotation des Asteroiden, dann bildet sich aus den Trümmern ein Ring. Dieser besteht nur aus Eispartikeln oder einer Mischung aus vorwiegend Eis, gemischt mit wenigen Gesteinspartikeln, wie die Forscher erklären.

Stimmt die Theorie, müsste es noch mehr Zentauren mit Ringen geben. © ESO/L. Calçada/M. Kornmesser/Nick Risinger

„In einigen Fällen könnten sich aus dem beim Vorbeiflug abgesprengten Material nicht nur Ringe bilden, sondern auch kleine Monde“, berichten Hyodo und seine Kollegen. „Ein signifikanter Teil der Zentauren müsste daher auch kleine Monde haben, die auf ihre Entdeckung warten.“ Wegen ihrer exzentrischen Bahn und geringen Größe wird es allerdings schwer sein, diese Trabanten der fernen Asteroiden ausfindig zu machen.

Fahndung läuft…

Sollte dieses Szenario korrekt sein, dann müssten Chariklo und Chiron einen steinigen Kern besitzen – und irgendwann in der Vergangenheit nahe an einem der großen Gasplaneten vorbeigeflogen sein. Gleichzeitig könnte dies bedeuten, dass noch mehr Asteroiden zwischen Jupiter und Neptun Ringe besitzen. „Zentauren kreuzen häufig den Orbit der großen Planeten, die Ringbildung müsste daher für sie eine ganz natürliche Folge sein“, so Hyodo und seine Kollegen.

Ob die Forscher Recht haben, muss nun die weitere Fahndung nach solchen „Ringträgern“ im äußeren Sonnensystem zeigen. Kandidaten gäbe es genug: Astronomen schätzen allein die Zahl der Zentauren mit mehr als einem Kilometer Durchmesser auf 44.000. (Astrophysical Journal Letter, 2016; doi: arXiv:1608.03509)

(Kobe University, 19.09.2016 – NPO)

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