Unbedachte Kosten: Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des VW-Abgas-Betrugs übersteigen deutlich bisherige Schätzungen. Pro Jahr könnten 40 vorzeitige Todesfälle und Kosten von bis zu 418 Millionen US-Dollar auf das Konto dieses Schwindels gehen, wie US-Forscher ausrechneten. Die tatsächlichen Kosten würden damit deutlich die Entschädigungszahlen übersteigen, die VW bisher leisten soll.
Der VW-Konzern war letztes Jahr weltweit in den Medien, als herauskam, dass er die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen manipuliert hat. Eine spezielle Software sorgte bei vielen Fahrzeugen dafür, dass die Motoren ihren Schadstoffausstoß bei einem Abgastest auf dem Prüfstand drosseln. Das gaukelt gute Werte vor, während bei freier Fahrt auf der Straße ein Mehrfaches der Emissionen freigesetzt wird.
Nachdem dies herauskam, zogen die US-Behörden die Konsequenz und forderten von VW Schadenersatz. Im Juni 2016 kam es zu einem Vergleich. Der der Konzern willigte ein, 14,7 Milliarden US-Dollar Entschädigung zahlen. Doch wie Lifang Hou von der Columbia University in New York und seine Kollegen nun berichten, könnte dieser Betrag immer noch zu niedrig sein, um die tatsächlichen Kosten – vor allem für das US-Gesundheitssystem – zu decken.
Schadstoffe und Gesundheitsfolgen ermittelt
Für ihre Studie ermittelten die Forscher zunächst die durch den VW-Schummel zusätzlich freigesetzten Luftschadstoffe, darunter vor allem Stickoxide und Feinstaub. „Es ist in der wissenschaftlichen Literatur gut belegt, dass Stickoxide zu Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen beitragen und dadurch zu Behinderung und Tod führen“, sagt Hou.
Die konkreten Gesundheitsfolgen dieser Abgase wie eine Verschlimmerung von Asthma, Krankenhauseinweisungen wegen Atemwegsbeschwerden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Fehltagen im Beruf, kalkulierten die Forscher dann in drei Szenarien – einem leichten, einem mittleren und einem worst-case-Szenario. Für diese Szenarien ermittelten sie dann die zusätzlich für das Gesundheitssystem anfallenden Kosten.
Kosten übersteigen Schätzungen
Das Ergebnis für die Schadstoffe: „Die Emissionen von Stickoxiden aus diesen Fahrzeugen, waren circa 40-mal höher, als die EPA-Grenzwerte. Die Fahrzeuge fügten der Luft 15.000 Tonnen Chemikalien zu, die wir jeden Tag atmen“, so Hous Kollege Andrea Baccarelli.
Die Kalkulation der Gesundheitsfolgen ergab, dass die jährlichen Folgekosten des VW-Abgas-Betrugs zwischen 42 Millionen und 418 Millionen US-Dollar betragen könnten, je nachdem welches Szenario zutrifft. Die Folgekosten der Abgasaffäre wären somit deutlich höher als die bisherigen Schätzungen.
Und selbst diese Kalkulationen könnten noch zu niedrig angesetzt sein. Denn für ihre Studie berücksichtigten die Forscher nur die Emissionen eines Jahres und nur die der circa 482.000 VW-Fahrzeuge in den USA, die mit 2.0 Liter Dieselmotoren fahren. Weder Fahrzeuge mit 3.0 Liter Dieselmotoren noch die geschätzten 800.000 Diesel und Gas-Fahrzeuge von VW auf US-Straßen wurden berücksichtigt. Auch die Rolle der Stickoxide als Vorläufer von bodennahem Ozon blieben hier noch außen vor.
Messung unter Realbedingungen
Ein von Heidelberger Forschern entwickelte Verfahren könnte solche Abgasaffären in Zukunft vermeiden. Denn die Forscher haben ein Gerät entwickelt, dass den tatsächlichen Schadstoffausstoß während der Fahrt auf der Straße misst.
Damit gäbe es nicht mehr die Diskrepanz zwischen den Abgaswerten im Labor und jenen unter Realbedingungen. Bisher können die Forscher nur die Stickstoffoxidemissionen messen, sie arbeiten aber bereits an einem Modell, dass auch Stickstoffmonoxid und Kohlendioxid messen kann. (International Journal of Environmental Research and Public Health, 2016; doi: 10.3390/ijerph13090891)
(Columbia University Medical Center, 21.09.2016 – HDI)