Neurobiologie

Unausgeschlafene erkennen Gesichter schlechter

Mehr Fehler bei Passkontrollen und in der Fahndung

Stimmen Foto und Person überein? Wer unter Schlafmangel leidert, dem fällt die korrekte Antwort schwerer. © Digital Vision/ iStock.com

Fatale Schwäche: Bei Schlafmangel fällt es uns schwerer, Gesichter anderer zu erkennen und zuzuordnen, wie ein Experiment belegt. Ob zwei Fotos die gleiche Person zeigen oder zwei verschiedene, erkennen Unausgeschlafene weniger gut. Das aber könnte bedeuten, dass gerade Sicherheitsleute oder die Polizei besonders anfällig sind für Fehler bei der Personenkontrolle oder Fahndung – denn sie arbeiten oft im Schicht- und Nachtdienst.

Die Fähigkeit, Gesichter von Mitmenschen wiederzuerkennen und zu unterscheiden ist für unser Sozialverhalten enorm wichtig. Kein Wunder daher, dass unser Gehirn eigene Zentren für die Gesichtserkennung besitzt und bestimmte Gesichter sogar in jeweils eigenen Neuronen gespeichert werden.

Ist das die gleiche Person?

Wie gut unsere Gesichtserkennung unter erschwerten Bedingungen ist, haben nun Louise Beattie von der University of Glasgow und ihre Kollegen untersucht. Sie wollten wissen, ob und wie stark der Schlafmangel unseren Sinn für Gesichter schwächt. „In unserer Gesellschaft ist es oft nötig, unbekannte Personen durch den Vergleich mit ihren Portraits zu identifizieren, unter anderem für Sicherheitsleute oder die Polizei“, erklären die Forscher.

In ihrem Experiment brachten sie ausgeschlafenen oder unter Schlafmangel leidende Probanden in eine vergleichbare Situation. Die Teilnehmer sahen jeweils zwei Portraitfotos gleichzeitig. Diese stellten entweder die gleiche Person mit etwas anderer Mimik oder Perspektive dar oder aber zwei verschiedenen Personen, die sich nur ähnlich sahen. Die Probanden sollten angeben, ob es sich um dieselbe Person handelt oder nicht.

Häufiger falsch-positiv

Das Ergebnis: „Wir haben festgestellt, dass Probanden mit Schlafmangel beim Gesichtertest schlechter abschnitten“, berichten Beattie und ihre Kollegen. Die Unausgeschlafenen tippten besonders häufig falsch-positiv. Dabei hielten sie Bilder einander nur ähnlicher Personen irrtümlich für Portraits desselben Menschen.

Zeigen jeweils beide Bilder dieselbe Person oder nicht? Die Lösung: oben sind es zwei BIlder derselben Person, unten aber zwei Bilder von verschiedenen, aber ähnlich aussehden Männern. © Beattie et al./ Royal Society Open Science

Das Spannende daran: Bisherige Experimente zum Schlafmangel haben schon gezeigt, dass dieser das Gedächtnis beeinträchtigt und dadurch beispielsweise bei Augenzeugen falsche Erinnerungen fördert. In der aktuellen Studie jedoch spielte das Gedächtnis keine Rolle: Beide Bilder waren gleichzeitig zu sehen und die Teilnehmer hatten beliebig lange Zeit, um sie eingehend zu vergleichen.

„Dies belegt erstmals, dass die negativen Effekte des Schlafmangels auf die Gesichtserkennung nicht allein auf ein beeinträchtigtes Gedächtnis zurückgehen“, konstatieren die Forscher. „Stattdessen spricht dies dafür, dass es auch Defizite im der Verarbeitung von Wahrnehmungen gibt.“

Fehleinschätzung

Und noch ein Effekt fiel im Experiment auf: Der Schlafmangel bewirkte auch deutliche Unterschiede in der Selbsteinschätzung der Probanden. Diejenigen, die unter Schlafmangel litten, waren zuversichtlicher, mit ihren Urteilen richtig zu liegen als die Ausgeschlafenen – obwohl es sich in Wirklichkeit genau umgekehrt verhielt.

Im Alltag könnte dies bedeuten, dass Fehler bei der Personenkontrolle beispielsweise an Grenzen oder bei Eintrittskontrollen nicht nur häufiger passieren, wenn Sicherheitskräfte unausgeschlafen sind. Sie werden wahrscheinlich auch seltener entdeckt, weil gleichzeitig die eigenen Fähigkeiten überschätzt werden,

„Das hat große Bedeutung für Sicherheitsdienste und die Polizei, wo Schichtdienst gängig ist“, sagt White. Gerade in dieser Branche komme es dadurch wahrscheinlich häufiger zu Fehlern und Irrtümern als bisher angenommen. „Denn in diesen Berufen führen lange Arbeitszeiten mit unregelmäßigem Tagesrhythmus oft zu Schlafproblemen und Schlafmangel.“ (Royal Society Open Science, 2016; doi: 10.1098/rsos.160321)

(University of Glasgow, 05.10.2016 – NPO)

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