Helfen ohne Hintergedanken: Blauelstern nutzen jede Gelegenheit, um ihren Artgenossen Futter zur Verfügung zu stellen – und das ganz ohne Gegenleistung. Sie zeigen damit eine menschenähnliche Großzügigkeit, wie sie nur von wenigen Tierarten bekannt ist. Ein möglicher Grund für dieses ungewöhnliche prosoziale Verhalten könnte die bei den Elstern übliche gemeinschaftliche Aufzucht der Nachkommen sein, berichten Biologen im Fachmagazin „Biology Letters“.
Elstern haben nicht den besten Ruf, sind sie doch vor allem dafür bekannt, glitzernde Dinge zu stehlen. Doch die Vögel haben nicht nur eine ausgeprägte Neugierde für alles, was funkelt und blinkt – sie sind auch ausgesprochen intelligent. So verfügen die Tiere sogar über eine Fähigkeit, die eigentlich als typisch für Menschen, Menschenaffen und wenige andere Säugetiere gilt: Sie können sich selbst im Spiegel erkennen.
Doch heißt das auch, dass sie vielleicht in anderen Dingen ebenfalls ähnlich denken wie wir Menschen? Das haben nun Kognitionsbiologen um Lisa Horn von der Universität Wien untersucht – und die Vögel bei einem Verhaltenstest auf die „Menschlichkeits-Probe“ gestellt. Die Forscher wollten wissen: Setzen sich die Tiere aus eigenem Antrieb für andere ein, ohne selbst eine Gegenleistung zu erwarten?
Selbstlose Futterspende
Dieses sogenannte prosoziale Verhalten testete Horns Team bei Blauelstern (Cyanopica cyana). Im Experiment konnten die in Asien heimischen Vögel durch das Landen auf einer Sitzstange einen Wipp-Mechanismus auslösen, der Futter in Reichweite ihrer Gruppenmitglieder brachte. Wollten sie jedoch selbst an das Futter gelangen, mussten sie die Stange verlassen. Dadurch bewegte sich die Wippe zurück und das Futter war wieder außerhalb der Reichweite der anderen Vögel.
Erstaunlicherweise zeigte sich: Obwohl die Blauelstern dadurch selbst nie an das Futter gelangen konnten, lieferten sie über alle Testrunden hinweg spontan Futter für ihre Artgenossen – und das offenbar ganz bewusst. Denn die Vögel bedienten die Wippe nur dann, wenn die Gruppenmitglieder tatsächlich Futter erhalten konnten. In einer Kontrollsituation, bei der der Zugang zum Futter für die anderen Vögel versperrt war, hingegen nicht.
Einzigartiges Verhalten?
Dieses soziale Verhalten der Elstern ist unter Vögeln einzigartig. Von keiner anderen Vogelart ist bekannt, auf diese Weise zu agieren. So war in anderen Studien getesteten Tieren das Wohl ihrer Gruppenmitglieder stets gleichgültig oder sie ließen den anderen nur dann Futter zukommen, wenn diese wiederholt darum gebettelt hatten.
„Proaktives prosoziales Verhalten wurde lange für ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen gehalten“, erklärt Lisa Horn. Forscher vermuten das gemeinsame Aufziehen der Kinder beim frühen Menschen als Grund. Demnach könnte diese Gemeinschaftsarbeit dazu geführt haben, dass wir auch heute noch anderen etwas zukommen lassen, ohne selbst eine Gegenleistung zu erwarten. Für diese Annahme spricht, dass auch Affenarten, die ihre Nachkommen gemeinsam aufziehen, ein solches Verhalten zeigen.
Gemeinsame Jungenaufzucht als Erklärung
Tatsächlich ziehen Blauelstern ihre Nachkommen ebenfalls gemeinsam auf: „Unsere Ergebnisse untermauern die Hypothese, dass die gemeinsame Jungenaufzucht das Auftreten von prosozialen Tendenzen nicht nur beim Menschen und Affen, sondern auch bei anderen Tierarten fördert. Um sicher zu sein, müssen wir allerdings noch weitere Vogelarten testen“, schließt Horn. (Biology Letters, 2016; doi: 10.1098/rsbl.2016.0649)
(Universität Wien, 19.10.2016 – DAL)