Biologie

Unbekannte Komponente im Walgesang entdeckt

Neben dem Schalldruck nehmen Buckelwale auch die Vibration der Wasserteilchen wahr

Buckelwale sind für ihre weithin schallende Gesänge bekannt. Jetzt haben Biologen eine bisher unbekannte Komponente dieser Kommunikation entdeckt. © NOAA

Mehr als nur Schall: In den Gesängen der Buckelwale gibt es eine bisher verborgene Komponente. Wie Meeresbiologen entdeckten, senden die Meeressäuger nicht nur Schallwellen aus, sondern erzeugen auch Vibrationen der Wasserteilchen. Diese Teilchenbewegungen sind noch hunderte Meter weit messbar – und könnten daher einen bisher übersehenen Kanal der Walkommunikation darstellen.

Wale und andere Meeressäuger kommunizieren mit komplexen Lauten – und können dabei sogar neue „Dialekte“ lernen. Vor allem die Buckelwale jedoch sind für ihre weithin hörbaren Gesänge bekannt. Über mehrere Kilometer weit sind die langgezogene Töne und Strophen zu hören, denn die Druckwellen des Schalls werden vom Wasser effektiv übertragen.

Wale belauschen vor Hawaii

Doch wie sich jetzt zeigt, hat der Walgesang noch eine zusätzliche, bisher unbekannte Komponente. Aran Mooney von der Woods Hole Oceanographic Institution und seine Kollegen entdeckten dies durch Zufall, als sie Buckelwale vor der Küste der hawaiianischen Insel Maui belauschen wollten. Sie hatten dabei nicht nur Hydrophone im Wasser, sondern auch sensible Beschleunigungsmesser. Diese registrieren, ob und wie schnell die Wasserteilchen in ihrem Umfeld ihre Bewegung verändern.

Mooney verdeutlicht den Unterschied zwischen Schallwellen und Teilchenbewegung am Beispiel eines neben einem stehenden Autos, aus dem laute Musik ertönt. „Das, was wir hören, sind die Druckwellen des Schalls“, erklärt der Forscher. „Das, was unseren Sitz vibrieren lässt, ist die Teilchenbewegung.“ Die Musik verändert nicht nur den Luftdruck, sie führt auch dazu, dass die Luftteilchen kurzzeitig mitgerissen werden und schwingen.

Überraschend weittragend

Gängiger Lehrmeinung nach erzeugt Schalldruck des Walgesangs zwar ebenfalls solche Teilchenbewegungen, diese breiten sich unter Wasser aber maximal wenige Meter weit aus – so dachte man jedenfalls. Doch als die Forscher über einige getauchte Buckelwale hinwegtrieben, registrierten sie Überraschendes:

„Wir hatten nicht erwartet, Teilchenbewegungen weiter als einige Meter vom Wal entfernt zu messen“, sagt Mooney. „Aber als wir immer weiter wegtrieben, war die vom Gerät registrierte Teilchenbewegung laut und klar zu hören.“ Selbst in 200 Metern Entfernung erzeugte der Gesang des Buckelwals noch deutlich messbare Tempoveränderungen der Wasserteilchen.

Buckelwal vor der Küste Mauis, hier belauschten die Meeresbiologen diese Wale. © T. Aran Mooney, Woods Hole Oceanographic Institution/NMFS

Zusätzlicher Kommunikationskanal

Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass der Walgesang noch umfassender und komplexer ist als bisher angenommen. „Es ist ein ganz anderer Aspekt des Schalls, von dem wir bisher nie gedacht hätten, dass die Wale ihn nutzen können“, sagt Mooney. „Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass die Teilchenbewegung des Buckelwalgesangs ein deutliches akustisches Signal für nahebei schwimmende Tiere ist.“

Die subtile Vibration des Wassers könnte den Walen dabei helfen, ihre singenden Artgenossen besser zu finden. Denn die Bewegung der Wasserteilchen erlaubt es noch besser als der Schalldruck, die genaue Entfernung und Position der Quelle zu bestimmen, wie die Meeresbiologen erklären: „Bei ausreichender Amplitude des Signals könnten die Wale damit ihre Artgenossen lokalisieren und ihre Bewegungen folgen.“

Wahrnehmung über den Schädel

Die Wale wären nicht die einzigen Tiere, die diesen „Nebeneffekt“ des Schalls wahrnehmen und nutzen: Von Nilpferden ist bereits bekannt, dass sie solche Wasservibrationen über ihren Körper registrieren können – sie hören dadurch Unterwassergeräusche, selbst wenn ihre Ohren gerade über Wasser sind.

Die Forscher vermuten, dass die Buckelwale die Bewegungen der Wassermoleküle gerade bei niedrigen Frequenzen direkt über ihre Schädelknochen wahrnehmen können. „Frühere Studien haben daher schon darauf hingedeutet, dass die Leitung von Schall und Vibration über den Knochen ihnen beim Hören hilft“, sagt Mooney.

Menschengemachter Lärm vielleicht doppelt schädlich

Doch die Entdeckung dieser bisher unbekannten Komponente des Walgesangs weckt auch Besorgnis. Denn der Lärm, den wir Menschen durch Schiffsmotoren, Sonar oder seismische Erkundung machen, erzeugt nicht nur Schallwellen. Gerade die Maschinen, die für Bohrungen oder andere Unterwasserarbeiten eingesetzt werden, verursachen auch Vibrationen und damit niederfrequente Teilchenbewegungen.

„Der meiste menschengemachte Unterwasserlärm ist niederfrequent – und er verdoppelt sich jede Dekade“, erklärt Mooney. Wenn die Teilchenbewegung für die Wale tatsächlich ein wichtiger weiterer Kanal ihrer Kommunikation ist, könnten die anthropogenen Vibrationen diese weitaus mehr stören als bisher gedacht. „Das könnte für die Wale ein großes Problem sein“, so der Forscher. (Royal Society Biology Letters, 2016; doi: 10.1098/rsbl.2016.0381)

(Woods Hole Oceanographic Institution, 03.11.2016 – NPO)

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