Von wegen Vorurteil: Forscher haben nun bestätigt, was viele Frauen längst zu wissen glaubten. Männer haben ein schlechteres Gedächtnis als das weibliche Geschlecht – allerdings nur bis zu den Wechseljahren. Danach büßen Frauen ihren Vorsprung in Sachen Erinnerungsvermögen ein. Vermutlich sind die hormonellen Umstellungen schuld daran. Diese Erkenntnisse könnten auch neue Erklärungsansätze für die Entstehung von Alzheimer liefern.
Viele Frauen dürften überzeugt davon sein, dass Männer ein schlechteres Gedächtnis haben als sie. Schließlich vergessen die Herren der Schöpfung angeblich ständig wichtige Geburtstage und selbst den eigenen Hochzeitstag, um nur zwei Beispiele zu nennen. Doch Realität und Wahrnehmung sind bekanntermaßen oft zwei verschiedene Paar Schuhe. Was also ist wirklich dran an diesem Vorurteil?
Tatsächlich belegen Studien, dass Männer zumindest im höheren Alter häufiger unter leichten Störungen des Gedächtnisses leiden als Frauen. Gleichzeitig haben Frauen ein höheres Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Dies könnte aber auch einfach daran liegen, dass sie in der Regel älter werden als Männer.
Frauen schlagen Männer
Wissenschaftler um Jill Goldstein vom Brigham and Women’s Hospital in Boston haben nun untersucht, ob es bereits im mittleren Lebensalter nachweislich geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die Gedächtnisleistung gibt – oder ob die männliche Vergesslichkeit ein Klischee ist. Dafür ließen sie 212 gesunde Probanden zwischen 45 und 55 Jahren zu verschiedenen neuropsychologischen Tests antreten, die die Lernfähigkeit und das Erinnerungsvermögen auf die Probe stellten.
Das Ergebnis gibt dem weiblichen Geschlecht recht: Die Frauen schnitten in allen getesteten Kategorien signifikant besser ab als gleichaltrige, männliche Mitstreiter. Doch es gab eine entscheidende Ausnahme: Frauen, die ihre Menopause schon hinter sich hatten, erzielten ungefähr die gleichen Ergebnisse wie die Männer – und waren demnach schlechter als andere weibliche Teilnehmer.
Kein Vorsprung mehr nach der Menopause
Für die Forscher ist das ein Zeichen dafür, dass sich durch die hormonelle Umstellung bestimmte Gehirnfunktionen nach den Wechseljahren ändern. Tatsächlich stützten weitere Untersuchungen die These, dass die weiblichen Geschlechtshormone wichtig für das Erinnerungsvermögen sind: Je höher bei den weiblichen Probanden die Konzentration einer bestimmten Form des Östrogens, das Östradiol, war, desto besser schnitten sie in den Tests ab.
Vor allem neu Gelerntes konnten sich Frauen mit niedrigeren Mengen des Botenstoffs schlechter merken. Von den hormonellen Veränderungen könnten demnach insbesondere Bereiche in frontalen Regionen des Hirns betroffen sein, die unter anderem für das Kurzzeitgedächtnis eine Rolle spielen.
Zusammenhang mit Alzheimer?
Der Hormonhaushalt könnte bei Frauen womöglich auch ein Risikofaktor für die Entstehung von Alzheimer sein, vermutet Goldsteins Team. In künftigen Untersuchungen wollen die Wissenschaftler weiter erforschen, welche Menschen besonders anfällig für diese Form der Demenz sind und welche Unterschiede es dabei zwischen Männern und Frauen gibt.
„Die Alzheimer-Erkrankung ist eine der größten Public Health-Herausforderungen unserer Zeit“, schließt Goldstein. „Es ist unerlässlich, dass wir verstehen, wie wir das Gedächtnis ein Leben lang erhalten können. Dafür müssen wir in der Forschung auch geschlechtsspezifische Unterschiede betrachten.“ (The Journal of the North American Menopause Society, 2016)
(The North American Menopause Society (NAMS)/ Brigham and Women’s Hospital, 10.11.2016 – DAL)