Aufgerissen statt auseinander gedrückt: Ausbrüche an mittelozeanischen Rücken laufen offenbar anders ab als bisher gedacht. Denn die treibende Kraft an diesen „Krustenfabriken“ am Meeresgrund ist nicht nur das aufsteigende Magma, wie sich bei einer Untersee-Eruption zeigte. Stattdessen kann auch die Tektonik der Motor sein: Die auseinanderweichenden Platten reißen den Meeresgrund auf und dann erst quillt Lava heraus, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Sie sind die Fabriken neuen Meeresbodens: Entlang der mittelozeanischen Rücken steigt fortwährend Magma aus der Tiefe auf und bildet im Laufe der Jahrmillionen neuen Ozeankruste. Immer wieder kommt es entlang dieser feurigen Nähte sowohl zu langsamen Lavaausflüssen als auch zu heftigen Eruptionen. Gängiger Theorie nach ist die treibende Kraft dieser „Krustenfabriken“ das aufquellende Magma – es drückt die beiderseits liegenden Ozeanplatten zur Seite.
„Mittelozeanische Rücke werden gemeinhin als Untersee-Vulkane angesehen, die genauso funktionieren wie die Vulkane an Land“, erklärt Erstautor Yen Joe Tan von der Columbia University in New York. Doch als er und seine Kollegen einen Ausbruch am Ostpazifischen Rücken mit Hilfe von seismischen Sensoren und Unterwassermikrophonen näher analysierten, passten die Abläufe nicht in dieses gängige Bild.
Erst Riss, dann Ausbruch
Wie sich zeigte, ging dem Lavaausbruch eine Serie von stärker werdenden Erdbeben voraus. Die Merkmale dieser Beben entsprachen jenen, die beim Aufreißen des Gesteins entlang einer tektonischen Verwerfung entstehen, so die Forscher. Erst danach registrierten die Sensoren ein Aufsteigen und Herausquellen des Magmas an vier Stellen entlang des Rückens.
„Dies deutet darauf hin, dass diese Spreading-Episode mit einem Aufreißen begann und erst dieses löste die Magmabewegung aus – nicht umgekehrt“, konstatieren die Forscher. „Erst der Riss entlang der Rückenachse führte zum Magmaaufstieg aus den darunterliegenden segmentierten Magmalinsen.“ Der dann folgende Unterseeausbruch förderte innerhalb von gut zwei Tagen rund 22 Millionen Kubikmeter Lava und verteilte sie auf dem Meeresgrund – genug, um 13 Fußballfelder 300 Meter hoch zu bedecken.
Gezogen, nicht geschoben
Nach Ansicht der Forscher spricht ihre Beobachtung dafür, dass das die Meeresbodenspreizung an mittelozeanischen Rücken zumindest in Teilen anders abläuft als bisher angenommen. „Man hat diese beiden unterschiedlichen Kräfte – Magma versus Tektonik –, die eine Rolle spielen könnten“, sagt Tans Kollegin Maya Tolstoy. „Das ist ein wenig wie das Henne-Ei-Problem.“
Entgegen bisheriger Lehrmeinung sehen sie dabei den Magmadruck nicht als die treibende Kraft. Die „Fabriken“ neuer ozeanischer Kruste schieben demnach nicht den Meeresboden auseinander, sondern die Platten sind es, die die Nahtstellen auseinanderziehen. „Wir sollten sie eher als Risse in der Kruste sehen, durch die dann Magma herausquillt“, sagt Tan.
Mal Henne, mal Ei
Ganz so absolut sehen andere Geoforscher dies allerdings nicht. Michael Perfit von der University of Florida ist der Meinung, dass trotz dieser Beobachtungen beide Kräfte gemeinsam agieren müssen, Magmendruck und Tektonik. Nach Ansicht der Geologin Cynthia Ebinger von der University of Rochester könnte je nach Eruption und mittelozeanischem Rücken mal die Henne und mal das Ei im Vordergrund stehen.
Sprich: In diesem Fall stand das Aufreißen der Erdkruste im Vordergrund, in einem anderen könnte aber durchaus der Magmendruck die entscheidende Kraft sein. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature20116)
(The Earth Institute at Columbia University, 15.11.2016 – NPO)