Geowissen

Beton als CO2-Schlucker

Verbauter Zement absorbiert mehr Treibhausgas als bisher angenommen

Beton, Mörtel und andere Zementprodukte nehmen im Laufe ihres Lebens CO2 aus der Luft auf - und das mehr als bisher gedacht. © Abroochizafer/ pixabay

Überraschender Fund: In unseren Städten gibt es einen verborgenen Klimapuffer. Denn Beton, Mörtel und andere Zementprodukte nehmen bei ihrer chemischen Alterung mehr CO2 aus der Luft auf als bisher gedacht. Immerhin rund eine Milliarde Tonne CO2 pro Jahr schlucken Beton- und Zementbauten weltweit, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Damit nimmt Zement fast die Hälfte des bei seiner Herstellung freigesetzten CO2 im Laufe der Zeit wieder auf.

Ob im Beton, als Mörtel oder Putz – Zement ist einer der wichtigsten Baustoffe der modernen Welt. Schon die Römer verdankten die Haltbarkeit und Stabilität ihrer Hafenanlagen und Bauwerke einem zementartigen Mörtel, dessen genaues Rezept erst vor kurzem entschlüsselt wurde. Heute ist vor allem Beton das Rohmaterial für Gebäude und Bauwerke aller Art.

CO2-Schleuder Zementproduktion

„Weltweit werden gewaltige Mengen Zement hergestellt, allein zwischen 1930 und 2013 waren es weltweit gut 76 Milliarden Tonnen“, berichten Fengming Xi von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen. Für das Klima hat dies jedoch ungute Folgen, denn die Zementproduktion gehört zu den Treibhausgas-Schleudern unter den Industrien.

Der Grund dafür: Das vielseitige Bindemittel wird durch das Brennen einer Mischung aus zermahlenem Kalkstein, Ton und Mergel hergestellt. Dabei wird das Calciumcarbonat (CaCO3) des Kalksteins zu Calciumoxid (CaO) und gibt dabei Kohlendioxid (CO2) ab. „Allein diese prozessbedingten CO2-Emissionen machen fünf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen durch Industrie und Verbrennung fossiler Brennstoffe aus“, berichten die Forscher.

CO2-Aufnahme bei chemischer Alterung

Aber das ist nur die halbe Geschichte, wie Xi und seine Kollegen nun herausgefunden haben. Denn Beton und Zement machen im Laufe der Zeit eine chemische Alterung durch. Bei dieser sogenannten Carbonisierung nehmen sie CO2 auf und binden es chemisch. Rein theoretisch wirkt damit der in Gebäuden und anderer Infrastruktur verbaute Zement sogar als Klimapuffer – wie stark, war aber bisher unbekannt.

Bei längerem Kontakt mit der Luft reagiert Zement mit dem CO2 und bindet es damit © JP Pelissier / pixabay

Wie viel CO2 Beton, Mörtel und Zementreste im Laufe ihrer Lebensdauer aufnehmen, haben Xi und seine Kollegen nun erstmals mit Hilfe physikalisch-chemischer Computermodelle ermittelt. Sie berücksichtigten dabei sowohl Wetterfaktoren als auch die jeweils der Luft ausgesetzten Oberflächen während der 35 bis 70 Jahre langen Einsatzzeit der Zementprodukte und beim Abbruch der Bauten.

Fast die Hälfte wird wieder absorbiert

Das Ergebnis: Beton, Mörtel und Co sind deutlich effektivere CO2-Schlucker als bisher angenommen. „Das klingt fast schon paradox, aber es ist wahr“, betont Koautor Steven Davis von der University of California in Irvine. Je großflächiger der Zement verwendet wird, beispielsweise als Putz auf Fassaden, desto mehr CO2 nimmt er im Laufe der Zeit auf.

Wie die Forscher errechneten, nehmen Beton, Mörtel und Co fast die Hälfte des Treibhausgases, das bei ihrer Herstellung frei wurde, im Laufe ihres Lebens wieder auf. „Rund 44 Prozent des bei der Zementherstellung zwischen 1980 und 2013 ausgestoßenen CO2 wurde durch die Carbonisierung dieser Materialien wieder absorbiert“, berichten Xi und seine Kollegen.

Zementputz schluckt am meisten CO2

Wie viele CO2 die verschiedenen Zementprodukte schlucken, ist dabei unterschiedlich: Der Beton unserer Häuser, Brücken und anderer Bauwerke nimmt demnach rund 16 Prozent der anfänglichen Emissionen allmählich wieder auf. Wird ein Bauwerk abgerissen, absorbiert der Beton noch einmal 1,5 Prozent CO2 zusätzlich, wie die Forscher berichten.

Auch beim Abriss von Betonbauten wird noch einmal CO2 aufgenommen - weil sich dann die Kontaktfläche der Trümmer mit der Luft vergrößert. © Steven Davis / UCI

Ein deutlich besserer CO2-Schlucker ist der als Putz aufgetragenen Mörtel: Er absorbiert während seiner Einsatzzeit sogar 97,9 Prozent der bei seiner Herstellung freigesetzten CO2-Emissionen, so Xi und seine Kollegen. Der Grund dafür ist die große Kontaktfläche zwischen dem Putz und der Luft, sie beschleunigt die Carbonisierung des Materials.

„Unterschätzter Puffer im Klimasystem“

Nach Ansicht der Forscher stellt verbauter Zement damit einen bisher unterschätzten Puffer im Klimasystem dar – und sollte in Klimamodellen künftig berücksichtigt werden. „Der Zement weltweit schluckt jedes Jahr rund eine Milliarde Tonnen atmosphärisches CO2“, so Xi und seine Kollegen. Im Jahr 2013 haben Beton und Co damit rund 2,5 Prozent der CO2-Emissionen geschluckt, die durch industrielle Prozesse und die Verbrennung fossiler Brennstoffe in diesem Jahr freigesetzt wurden.

Damit sei die Zementherstellung zwar noch immer eine erhebliche Quelle von Treibhausgasen, räumen die Wissenschaftler ein. Aber zumindest ein Teil dieser Emissionen werde im Verlauf der Zeit auch wieder von Zementprodukten aufgenommen. Und mit der steigenden Zahl von Betonbauwerken überall auf der Welt nimmt auch die CO2-Absorption durch Beton, Mörtel und Putz zu. (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2840)

(University of California – Irvine / Nature, 22.11.2016 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Kalk - Über eine ungewöhnliche Allianz aus Wasser und Stein

Bücher zum Thema

Dreck - Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert von David Montgomery

Chemie über den Wolken - ...und darunter von Reinhard Zellner / GDCh (Herausgeber)

Die Erde nach uns - Der Mensch als Fossil der fernen Zukunft von Jan Zalasiewicz

Stadtnatur: Eine neue Heimat für Tiere und Pflanzen - Ein Naturführer durch die Stadt

Top-Clicks der Woche