Medizin

Chemotherapie: Hilft weniger manchmal mehr?

Niedrigdosis-Therapie könnte die aggressive Rückkehr bestimmter Tumore verhindern

Brustkrebszelle - einige Tumore könnten mit Niedrigdosis-Chemotherapie vielleicht nachhaltiger bekämpft werden. © NCI

Paradoxe Wirkung: Bei einigen Krebsarten könnte eine schwächere Chemotherapie sogar besser wirken als eine hoch dosierte. Denn dies verhindert, dass resistente Tumorzellen entstehen und der Krebs hinterher in aggressiverer Form wiederkommt, wie eine Studie mit Mäusen nahelegt. Demnach steigert zumindest bei bestimmten Brustkrebsarten und bei Bauchspeicheldrüsenkrebs eine tägliche, aber dafür schwache Chemotherapie die Überlebenschancen.

Bei der klassischen Chemotherapie werden dem Körper Zellgifte verabreicht. Weil sich Tumorzellen schneller teilen, reagieren sie sensibler darauf und sterben – im Idealfall. Damit dies funktioniert, erhalten Krebspatienten normalerweise alle paar Wochen eine Dosis, die der Körper gerade noch verkraftet.

Doch diese Therapie schadet dem Körper und dem Gehirn und tötet nicht immer alle Tumorzellen ab. Häufig bleiben einige Tumorstammzellen übrig und auch genetische Unterschiede innerhalb eines Tumors könne einige Krebszellen überleben lassen. Als Folge kommt der Krebs wieder – und das oft aggressiver und resistenter als zuvor.

Botenstoffe machen Krebs aggressiver

Warum dies so ist und wie sich dies verhindern lässt, haben nun Kelvin Tsai von der Universität Taipeh und Valerie Weaver von der University of California in San Francisco untersucht. Für ihre Studie verabreichten sie zunächst Mäusen mit Brustkrebs oder Pankreaskrebs verschiedene klassische Maximaldosis-Chemotherapien und analysierten den Effekt auf Fibroblasten – Bindegewebszellen, die den Tumor umgeben.

Dabei zeigte sich: Unter dem Einfluss der hochdosierten Zellgifte setzen die tumorassoziierten Fibroblasten große Mengen Botenstoffe frei, darunter sogenannte ELR+ Chemokine. „Tumore mit ELR+ Chemokinen sind aggressiver und können das Gefäßwachstum und die Unterdrückung der Immunantwort fördern“, erklären die Forscher. Zudem tragen sie dazu bei, Bindegewebszellen in Krebsstammzellen umzuwandeln.

Tumore, die mit der Maximumdosis-THerapie des Mittels Doxorubin behandelt wurden, wuchsen nach einiger Zeit wieder stark nach (oben), bei täglichen, niedrigen Dosen des gleichen Mittels war dies weniger stark der Fall. © Chan et al., 2016

Niedrigdosis-Therapie verhindert Gegenreaktion

Als nächstes testeten die Forscher, ob sich diese Reaktion durch eine niedrig dosierte, aber dafür täglich verabreichte Chemotherapie verhindern lässt. „Einige klinische Studien haben bereits gezeigt, dass eine solche Niedrigdosis-Chemotherapie, alleine oder in Kombination mit weiteren Therapeutika einen effektiven Ansatz in der Krebstherapie darstellen kann“, erklären Tsai und Weaver.

Ihre Tests ergaben, dass die Niedrigdosis-Therapie nicht zu einer Freisetzung von ELR+Chemokinen führt. Dadurch blieben auch das Gefäßwachstum, die Bildung neuer Krebszellen und die Immunsuppression aus, wie die Forscher berichten. Mäuse mit Brustkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs überlebten dadurch länger als die Tiere, die die klassische Maximaldosis-Therapie erhalten hatten.

Bessere Heilungschancen – zumindest für einige Krebsformen

„Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Bindegewebs-Signale zur Tumorentwicklung beitragen“, sagt Tsai. „Und sie sprechen dafür, dass eine niedrigdosierte, tägliche Therapie oder eine Hemmung der Chemokin-Freisetzung die Heilungschancen bei Bindegewebs-assoziierten Tumoren verbessern könnte.“

Noch muss dieser Ansatz weiter getestet werden, wie die Forscher betonen. Zudem lässt sich diese Therapieform nicht bei jedem Krebstyp und jedem Patienten anwenden. Aber die bisherigen Ergebnisse könnte dazu führen, dass die Wirkung der Niedrigdosis-Therapie in mehr klinischen Studien getestet wird und sie könnte dazu beitragen, künftig die Patienten besser identifizieren zu können, die von einer solchen Therapieform profitieren. (Journal of Experimental Medicine, 2016; doi: 10.1084/jem.20151665)

(Rockefeller University Press, 24.11.2016 – NPO)

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