Femme fatale der Insektenwelt: Die Gottesanbeterin ist für ihre blitzschnellen Fangbeine und das Verspeisen ihrer Männchen nach dem Sex berüchtigt. Jetzt wurde diese Fangschrecke zum Insekt des Jahres 2017 gekürt. Einer der Gründe dafür: Dank des Klimawandels kommt die aus Afrika stammende Gottesanbeterin inzwischen auch bei uns in Deutschland vor. Zudem soll die Wahl der Mantis religiosa mit Vorurteilen über dieses Insekt aufräumen.
Kannibalische Sexsitten, Vorbild für Kung Fu-Kämpfer und japanisches Symbol für Wachsamkeit, Geduld und Beständigkeit – um die Gottesanbeterin Mantis religiosa ranken sich viele Mythen. Aber längst nicht alles, was man über diese Fangschrecke zu wissen glaubt, stimmt auch. „Wir wollen mit unserer Wahl diese faszinierende Vertreterin der Fangschrecken ehren und mit Vorurteilen aufräumen“, erklärt daher Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg.
In Deutschland angekommen
Ursprünglich stammt die Gottesanbeterin aus Afrika. Längst jedoch hat sich die Fangschrecke auch bis zu uns ausgebreitet: „Mit Ausnahme von Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurde die Gottesanbeterin mittlerweile in allen deutschen Bundesländern gefunden“, sagt Schmitt. Besonders wohl fühlen sich die Insekten in sonnigen, trockenwarmen, meist in Südlage gelegenen Gras- und Buschlandschaften, Halbtrockenrasen und Ruderalflächen mit lockerer Vegetation.
„Das Insekt ist ein gutes Beispiel für die Auswirkung des globalen Klimawandels auf die mitteleuropäische Faunenzusammensetzung, erklärt Schmitt. Das Kuratorium prämierte das Insekt, um unter anderem auf dessen Ausbreitung in Folge der globalen Erwärmung aufmerksam zu machen. Zudem wird das charismatische Tier mit den großen Facettenaugen in Deutschland als bedrohte Art geführt.
Blitzschnelles Zuschnappen
Typisch für die Gottesanbeterin ist ihre namensgebende Pose: Ist sie in Ruhe oder auf Beutesuche, winkelt sie ihre langen, zu Fangklauen umfunktionierten Vorderbeine an wie zum Gebet. Durch langsames Gehen oder Klettern pirscht sich die Gottesanbeterin dann an ihre Beute heran. Ihre grüne oder bräunliche Färbung und ihre teilweise bewegungslose Lauerpose lässt die Fangschrecke dabei nahezu perfekt mit den Ästen und Blättern der Umgebung verschmelzen.
Ihre Beute sind meist kleine Insekten, selten auch Wirbeltiere, wie Frösche, Eidechsen oder Mäuse. Ist das Beutetier in Reichweite, wird es mit den großen Facettenaugen fixiert und die beiden dornenbewehrten Fangbeine schnellen auf das Beutetier zu. „Der Vorgang des Fangschlags dauert nur 50 bis 60 Millisekunden – das ist etwa sechsmal schneller, als ein Lidschlag des menschlichen Auges“, erläutert Schmitt.
Tod nach dem Sex
Noch bekannt er als für ihr Beutefang-Strategie ist die Gottesanbeterin für ihr außergewöhnliches Paarungsverhalten. Denn die Paarung mit dem bis zu 75 Millimeter großen Weibchen kann für die nur rund 60 Millimeter langen Männchen manchmal tödlich enden: Der Sex kostet sie im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf: Das Weibchen verspeist diesen während oder nach der Paarung.
„Dieser Sexualkannibalismus ist aber keineswegs obligat. Meistens endet die Kopulation für beide Partner ohne Schäden“, betont Schmitt. Zudem handelt die Gottesanbeterin dabei keineswegs aus Blutgier oder Willkür: Aus evolutionärer Sicht ist ihr Verhalten sogar sinnvoll. Wenn sie ihr Männchen verspeist, liefert sein Körper ihr und ihren Nachkommen wertvolle Nährstoffe – und es gibt zudem noch einen Nahrungskonkurrenten weniger.
Geschützte Eipakete
Einige Tage nach der Begattung, meist im August bis Oktober, legen die weiblichen Gottesanbeterinnen ihre Eier ab. Diese werden nicht einzeln, sondern in sogenannten Ootheken an Steinen oder Grashalmen befestigt. Ein solches Eipaket besteht aus einer schnell erhärtenden Schaummasse, die bis zu 200 Eier enthält.
Der Vorteil: Darin geschützt können die Larven selbst die Winterkälte überstehen, denn sie schlüpfen erst im Frühjahr. Bei den verwandten Stabschrecken dienen die Ootheken gleichzeitig als Tarnung: Sie imitieren in Farbe und Form Pflanzensamen und das sorgt dafür, dass schmarotzende Wespen die Eier nicht erkennen.
Das Insekt des Jahres wird seit 1999 proklamiert. Ein Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler und Vertreter wissenschaftlicher Gesellschaften und Einrichtungen angehören, wählt dafür jedes Jahr aus zahlreichen Vorschlägen ein Insekt aus.
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 30.11.2016 – NPO)