Tiefer Graben: Im viertgrößten Schelfeis der Erde klafft ein 112 Kilometer langer und 90 Meter breiter Riss, wie Eisforscher der NASA entdeckt haben. Der Riss teilt das Larsen-C Schelfeis an der Ostküste der antarktischen Halbinsel. Noch teilt der 500 Meter tiefe Riss das Schelfeis nicht komplett. Sollte er sich aber weiter verlängern, könnte das Schelfeis auseinanderbrechen – ähnlich wie 2002 das deutlich kleinere Larsen-B Schelfeis.
Das Larsen-Schelfeis besteht aus drei ausgedehnten Packeisflächen, die Buchten an der Ostküste der antarktischen Halbinsel füllen. Normalerweise verlieren solche hunderte Meter dicken Schelfeise nur dann Eis, wenn die Oberfläche antaut oder an ihrem Rand Eisberge kalben. Doch bereits 2002 kam es im Larsen-B-Schelfeis zu einem gewaltigen Bruch: Eine gut 3.000 Quadratkilometer große Eisfläche brach ab und driftete ins offene Meer.
Der Riss wächst
Jetzt bildet sich auch im benachbarten, größeren Larsen-C-Schelfeis ein gewaltiger Riss. Bereits im letzten Jahr hatten Eisforscher des MIDAS-Projekts auf Satellitenbildern erste Hinweise auf eine wachsende Spalte im Eis entdeckt. Er wurde allein von März bis August dieses Jahres um 22 Kilometer länger. Am 10. Oktober 2016 haben Forscher des IceBridge-Projekts der NASA diesen Riss von einem Flugzeug aus genauer vermessen.
Die Spalte im Eis ist demnach bereits 112 Kilometer lang und 90 Meter breit, wie die Forscher berichten. Sie reicht zudem rund 500 Meter in die Tiefe und damit bis zur Unterseite des Schelfeises. Wächst dieser Riss noch weiter in die Länge, könnten neun bis zwölf Prozent des Schelfeises abbrechen – wahrscheinlicher ist dabei der höhere der beiden Schätzwerte.
Ein Eisberg so groß wie zweimal Mallorca
Der durch den Bruch im Larsen-C-Schelfeis entstehende Tafeleisberg hätte die doppelte Größe Mallorcas, so die IceBridge-Forscher. Ist das Eisstück einmal abgebrochen, könnte dem noch viertgrößten Schelfeis der Erde ein ähnliches Schicksal drohen wie seinem Nachbar Larsen-B: Nachdem dort das große Eisstück abgebrochen war, zerbrach und zerfiel auch fast der ganze Rest des Schelfeises in weniger als einem Monat.
Ursache für das Zerbrechen von Larsen-B und den jetzigen Riss in Larsen-C ist wahrscheinlich die Klimaerwärmung. Schon seit einiger Zeit beobachten Polarforscher, dass die Oberfläche der Schelfeise vermehrt taut und sich Schmelzwasserseen bilden. Zeitgleich nagt die Erwärmung auch von unten am schwimmenden Eis: Warmes Wasser gräbt an der Unterseite gewaltige Rinnen hinein. Schätzungen zufolge ist die Schmelze in der Westantarktis schon jetzt nicht mehr umkehrbar.
Um das Risiko für einen Bruch des Larsen-C-Schelfeises abschätzen zu können, wollen die Wissenschaftler von MIDAS und IceBridge den Riss weiter im Auge behalten, Regelmäßige Satelliten-Aufnahmen sollen zeigen, wie schnell die Spalte wächst und welche Auswirkung dies auf das umgebende Eis hat.
(NASA, 08.12.2016 – NPO)