Keine Lappalie: Wer Depressionen „nur“ für eine psychische Erkrankung hält, der irrt. Denn die Depression hat auch konkrete körperliche Folgen, wie nun eine Langzeitstudie belegt. Bei Männern erhöht demnach eine Depression das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen um immerhin 15 Prozent –ähnlich viel wie hohe Cholesterinwerte oder Fettleibigkeit.
Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden global 350 Millionen Menschen an Depressionen, in Deutschland sind es knapp vier Millionen – Tendenz steigend. Die Betroffenen leiden unter Antriebslosigkeit, Ängsten und Freudlosigkeit, sie fühlen sich leer und erschöpft und ziehen sich sozial zurück. Im Extremfall kann die psychische Erkrankung sogar in den Selbstmord treiben.
Wie hoch ist der Effekt?
Doch wie sich jetzt zeigt, beeinträchtigt eine Depression nicht nur in erheblichem Maße den seelischen Zustand, sondern kann sich auch auf körperliche Prozesse auswirken. „Mittlerweile gibt es kaum einen Zweifel daran, dass Depressionen ein Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen sind“, erklärt Karl-Heinz Ladwig vom Helmholtz Zentrum München. Die Frage sei aber, wie stark sich die Depression auf dieses Risiko auswirke.
Um dies zu klären, werteten Ladwig und sein Team die Daten der MONICA/KORA-Studie au. Diese seit 30 Jahren laufende Langzeituntersuchung beobachtetet die Entwicklung der seelischen und körperlichen Gesundheit von tausenden von Teilnehmern in Europa. Für 3.428 männliche Patienten im Alter zwischen 45 und 74 Jahren prüften die Forscher gezielt, ob und wie stark Depressionen das Risiko für Herzinfarkt, Arteriosklerose und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Ähnlich wie zu viel Cholesterin und Fettleibigkeit
Das Ergebnis: „Unsere Untersuchung zeigt, dass das Risiko für eine tödliche Herzkreislauferkrankung in Folge einer Depression fast ebenso hoch ist, wie bei zu hohen Cholesterinwerten oder Fettleibigkeit“, fasst Ladwig zusammen. Etwa 15 Prozent der Todesfälle durch Herzkreislauf-Erkrankungen sind demnach bevölkerungsweit durch Depressionen verursacht.
„Damit erreichen Depressionen eine mittlere Effektstärke innerhalb der großen, nicht angeborenen Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen“, so Ladwig. Bei den klassischen Faktoren wie Hypercholesterinämie, Fettleibigkeit und Rauchen reiche der Anteil von 8,4 bis 21,4 Prozent. Die Forscher halten es daher für sinnvoll, das besonders bei Hochrisikopatienten auch immer mit abgeklärt wird, ob der Patient an einer Depression leidet.
Der Zusammenhang zwischen Depressionen und Herz-Kreislauferkrankungen ist allerdings keine Einbahnstraße: Auch das Erleben einer schweren Herz-Kreislauferkrankung kann zu Depressionen führen, die wiederum die Genesung der Patienten beeinträchtigen können. (Atherosclerosis, 2016; doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2016.12.003)
(Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, 12.01.2017 – NPO)