Medizin

Warum LSD-Trips so lange anhalten

Forscher machen erstmals LSD-Molekül in seiner Andockstelle sichtbar

Bindet LSD an die Serotonin-Rezeptoren im Gehirn, löst dies Halluzinationen und Wahrnehmungsveränderungen aus. © Annie Spikes

Überraschend anders: Erstmals ist es Forschern gelungen, das Gehirn gebundene LSD-Molekül in seiner Andockstelle sichtbar zu machen. Die Röntgenkristallografie-Aufnahmen enthüllen, dass die Droge völlig anders im Rezeptor sitzt als bisher gedacht – und obendrein von einer Art Deckel festgehalten wird. Dies erklärt, warum LSD-Trips ungewöhnlich lange anhalten: Das LSD-Molekül kommt nur schlecht wieder los, wie die Forscher im Fachmagazin „Cell“ berichten.

Lysergsäurediethylamid, kurz LSD genannt, ist eine der stärksten bekannten psychoaktiven Drogen. Schon wenige Dutzend Mikrogramm LSD lösen Halluzinationen aus und verändern die Wahrnehmung und das Zeitgefühl. Studien zeigen, dass die Droge nicht nur ein wahres Aktivitätsfeuerwerk im Hirn entfaltet, sondern auch ganz verschiedene Hirnregionen miteinander verschaltet – was die LSD-Wirkung so komplex und umfassend macht.

Unklar blieb aber bis jetzt, warum die Wirkung von LSD so ungewöhnlich lange anhält: Obwohl die Droge schon nach wenigen Stunden nicht mehr im Blut nachweisbar ist, hält der LSD-Trip bis zu 15 Stunden an. Bekannt ist, dass LSD im Gehirn an die Rezeptoren für den Neurotransmitter Serotonin andockt – einem unserer „Glückshormone“. Was jedoch genau an diesem Rezeptor passiert, ließ sich nicht ermitteln.

„Fast unmöglich“

„Wenn man verstehen will, wie LSD und Co wirken, muss man als erstes herausfinden, wie die Droge an die Rezeptoren der Hirnzellen bindet“, erklärt Studienleiter Bryan Roth von der University of North Carolina in Chapel Hill. „Dafür muss man die Struktur dieser Bindung aufklären.“ Typischerweise nutzt man dafür die Röntgenkristallografie: Die Moleküle werden auskristallisiert und mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Ihr Beugungsmuster verrät dann die Struktur.

Doch im Falle von LSD und dem Serotonin-Rezeptor ist dies leichter gesagt als getan. Denn der Rezeptor ist extrem komplex, lässt sich nur schwer isolieren und noch schwerer kristallisieren. Das Ganze dann noch mit dem gebundenen LSD zu schaffen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, wie die Forscher erklären. Sie mussten mehrere Jahre experimentieren, bis es nun endlich gelang.

Die Stukturanalyse enthüllt, dass das LSD-Molekül (bunt) von einer Art Deckel im Rezeptor festgehalten wird (grau). © Robin Betz/ Stanford University

Verklemmt und eingeschlossen

„Wir haben nun erstmals Einblicke in die strukturelle Basis für die Wirkungsweise eines Halluzinogens erhalten“, berichten Roth und seine Kollegen. Ihre Röntgenbeugungsbilder zeigen, wie das LSD-Molekül in der Bindungstasche des Serotonin-Rezeptors sitzt – und enthüllen Überraschendes. Denn das LSD ist in einem völlig unerwarteten Winkel in der Andockstelle verkeilt. Zudem klappt nach der Bindung ein Teil des Rezeptors wie ein Deckel ab und schließt das LSD in der Bindungstasche ein.

„Das ist wahrscheinlich der Grund, warum die Effekte des LSDs so lange anhalten“, sagt Roth. „Erst braucht das LSD ziemlich lange, um an den Rezeptor zu binden und wenn es dann drin ist, kommt es nicht wieder heraus.“ Der Trip endet erst, wenn das LSD-Molekül es schafft, den Deckel abzusprengen oder wenn die Hirnzelle den gesamten Komplex abbaut.

Nutzbar für die Medizin

Wichtig ist diese Erkenntnis nicht nur, um die langanhaltende Wirkung des LSDs zu verstehen. Sie eröffnet auch neue Möglichkeiten, die Droge zu modifizieren und unter kontrollierten Bedingungen in der Medizin einzusetzen, wie die Forscher erklären. Studien zeigen beispielsweise, dass niedrigdosiertes LSD es Alkoholikern erleichtert, trocken zu bleiben. Auch bei Cluster-Kopfschmerzen und bestimmten psychiatrischen Erkrankungen gilt die Droge als vielversprechendes Mittel.

Roth und seine Kollegen haben in ihren Experimenten bereits herausgefunden, dass schon kleine Veränderungen am Rezeptor oder LSD-Molekül die einsperrende Klappe lockern und so die Bindungszeit des LSDs deutlich verkürzen können. Das könnte dabei helfen, medizinisch wirksame, aber weniger halluzinogene LSD-Formen zu entwickeln. (Cell, 2017; doi: 10.1016/j.cell.2016.12.033)

(Cell Press / University of North Carolina Health Care, 27.01.2017 – NPO)

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