Unsichtbarer Schubgeber: Hinter einer mit rätselhaft hohem Tempo durch das All rasenden Gaswolke könnte ein Schwarzes Loch stecken. Denn das Gas am 10.000 Lichtjahre entfernten Supernova-Relikt bewegt sich mit erheblich mehr Energie, als die Sternexplosion freigesetzt haben kann. Astronomen vermuten, dass ein unsichtbar durch das All rasendes Schwarzes Loch dieses Gas mitreißt.
Schwarze Löcher sind die verborgenen Riesen des Kosmos. Denn sichtbar werden sie nur, wenn sie Gaswolken oder einen nahen Stern vertilgen. Wandert ein Schwarzes Loch dagegen allein durch das Weltall, bleibt es unsichtbar. Allein in unserer Milchstraße schätzen Astronomen die Zahl verborgener stellarer Schwarzer Löcher auf 100 Millionen, vielleicht sogar eine Milliarde. Entdeckt hat man davon aber nur rund 60.
Zufallsfund im Supernova-Relikt
Jetzt könnten Masaya Yamada von der Keio Universität und seine Kollegen ein weiteres dieser verborgenen Wanderer aufgespürt haben – und gleichzeitig eine Methode, mit der sich noch mehr dieser versteckten Schwarzen Löcher finden lassen könnten.
Ursprünglich wollten die Forscher nur die Schockwellen im Umfeld des rund 10.000 Lichtjahre entfernte Supernova-Überrests W44 näher untersuchen. Dafür richteten sie das ASTE-Teleskop in Chile und das Nobeyama-Radioteleskop in Japan auf die leuchtenden Gaswolken. Ihr Ziel: Herauszufinden, wie viele Energie die Sternexplosion auf das Gas übertragen hatte.
Viel zu schnell für diese Umgebung
Doch bei ihren Beobachtungen fiel den Astronomen eine molekulare Gaswolke auf, die sich seltsam verhielt: Diese zwei Lichtjahre große Wolke mit deutlich höherem Tempo durch das Randgebiet des Supernova-Relikts als ihre Nachbarn – und noch dazu gegen die Rotationsrichtung der Milchstraße. Mit bis zu 120 Kilometern pro Sekunde war ihre Geschwindigkeit extrem hoch.
„Die kinetische Energie dieser Wolke ist Dutzende Male größer als von der Supernova W44 ausgegangen sein kann“, erklärt Yamada. „Es scheint nahezu unmöglich, eine so energiereiche Wolke unter normalen kosmischen Bedingungen zu erzeugen.“ Die Forscher vermuten, dass ein verborgener Akteur hinter diesem rätselhaften Phänomen steckt: ein Schwarzes Loch.
Mitgerissen oder weggeschleudert?
Den Astronomen zufolge kommen zwei Szenarien in Frage: Im ersten könnte die Gaswolke an einem statischen, stellaren Schwarzen Loch von rund 3,5 Sonnenmassen vorbeifliegen. Dabei kommt es zu einer Explosion, die die Gaswolke beschleunigt. Im zweiten Szenario rast ein Schwarzes Loch von mindestens 36 Sonnenmassen in hohem Tempo durch eine dichte Gasansammlung. Dabei wird ein Teil des Gases mitgerissen und bildet den beobachteten schnellen Gasstrom.
Welches dieser beiden Szenarien zutrifft, können die Astronomen bisher noch nicht sagen. In jedem Fall aber stecke hinter dem Phänomen wahrscheinlich ein wanderndes Schwarzes Loch. „Damit könnten wir eine neue Methode gefunden haben, um solche umherstreunenden Schwarzen Löcher aufzuspüren“, meint Yamadas Kollege Tomoharu Oka.
Um mehr über den versteckten „Motor“ des Gases herauszufinden, wollen die Astronomen das Gas von W44 nun mit dem leistungsstarken Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) untersuchen. (Astrophysical Journal, 2017; doi: 10.3847/2041-8213/834/1/L3)
(National Astronomical Observatory of Japan, 03.02.2017 – NPO)