Spektralanalyse per Handy: Forscher haben eine App entwickelt, die die Inhaltsstoffe eines Lebensmittels oder Objekts erkennen kann. Der Trick dahinter: Die App nutzt blitzschnelle, verschiedenfarbige Lichtblitze vom Display und analysiert deren Reflexion per Kamera und Software. Ähnlich wie eine Hyperspektralkamera kann sie so den spektralen Fingerabdruck eines Materials ermitteln. Ende 2017 soll sie auf den Markt kommen.
Jedes Material besitzt einen typischen spektralen Fingerabdruck: Je nach Zusammensetzung wirft es bestimmte Wellenlängen des Lichts in unterschiedlichen Anteilen zurück. Dies macht man sich beispielsweise in der Erdbeobachtung und der Astronomie zunutze. Aber auch Methangas-Emissionen, Inhaltsstoffe in Alltagsprodukten oder verblasste Manuskripte und Malereien lassen sich mit einer Hyperspektralkamera sichtbar machen.
Aufgespaltenes Licht
Das Prinzip dahinter: Die Kamera fängt verschiedene Wellenbereiche des Lichts getrennt auf und kann so einen groben spektralen Fingerabdruck erstellen – oder bestimmte Spektralbereiche selektiv sichtbar machen. Wollte man diese Technik auch mittels Handykamera nutzen, bräuchte man normalerweise einen Vorbau mit Prismen, die das Licht entsprechend aufspalten.
Doch Forscher vom Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg haben nun eine einfachere Lösung gefunden. „Das Besondere an unserer App: Der Anwender braucht für die Messung nichts weiter als die Kamera, die ohnehin in seinem Smartphone integriert ist“, erklärt Udo Seiffert vom IFF.
Farblicht-Blitze statt Prisma
Wie aber funktioniert die „HawkSpex (R) mobile“ getaufte App? „Da im Smartphone keine Hyperspektralkamera integriert ist, haben wir dieses Prinzip einfach umgedreht“, erläutert Seiffert. „Wir haben mit der Kamera einen breitbandigen dreikanaligen Sensor und beleuchten den Gegenstand mit Licht unterschiedlicher Farbe.“
Das Display beleuchtet das Objekt nacheinander in Sekundenbruchteilen in einer Reihe von unterschiedlichen Farben. Wirft das Display also nur rotes Licht auf das Objekt, kann das Objekt auch nur rotes Licht reflektieren – und die Kamera nur rotes Licht messen. Intelligente Auswertealgorithmen ordnen das sich daraus ergebende Hyperspektralbild dann bestimmten Stoffen zu.
Programm ist lernfähig
Die App soll Ende 2017 auf den Markt kommen. Die erste Laborversion ist zwar schon fertig und auch zum Patent angemeldet. Doch bevor das Programm konkrete Substanzen wie beispielsweise Pestizide identifizieren kann, muss sie deren spektrale Fingerabdrücke erst einmal „lernen“. Die Forscher benötigen daher die Zeit, ihrer App durch Vergleichsmessungen immer mehr Substanzen beizubringen.
Die App bleibt auch nach Markteinführung weiter lernfähig: „Wenn die App Ende 2017 auf den Markt kommt, können engagierte Nutzer zum großen Ganzen beitragen und neue Anwendungen kreieren, zum Beispiel die Beurteilung der Belastung von Salatköpfen mit Pflanzenschutzmitteln“, sagt Seiffert. Das heißt: Sie vermessen behandelte und unbehandelte Salatköpfe verschiedener Sorten mit der App und schicken die Daten zum IFF. Forscher prüfen die Messungen und schalten diese Anwendungsvariante dann für alle Nutzer frei.
Zahlreiche Anwendungen
Vergleichsmessungen sind allerdings nicht immer nötig. Denn bei einigen Fragen geht es nicht um die Angabe einzelner Inhaltstoffe, sondern nur um den Vergleich unterschiedlicher Verteilungen von Stoffen oder Materialien. Etwa beim Autokauf: Hier vergleicht die App, ob der Lack an allen Stellen exakt die gleiche Farbe hat – oder ob nachlackiert wurde.
„Es sind so viele Einsatzbereiche denkbar, dass der Markt uns sicherlich überrennen wird“, ist sich Seiffert sicher. Im kommerziellen Bereich kann die App überall dort eingesetzt werden, wo sich ein Präzisionsmessgerät nicht lohnen würde. Beispiele sind die Qualitätskontrolle von Lebensmitteln, die Wirksamkeit von Kosmetikprodukten oder auch die Landwirtschaft: Der Landwirt kann so beispielsweise auf einfachem Weg Aussagen dazu erhalten, ob seine Pflanzen ausreichend mit Nährstoffen versorgt sind oder ob er zum Dünger greifen sollte.
(Fraunhofer-Gesellschaft, 06.02.2017 – NPO)