Falscher Pharao: Die vor gut einer Woche in Kairo entdeckte Riesenstatue eines Pharaos stellt nicht König Ramses II. dar, wie ursprünglich angenommen. Stattdessen zeigt der ursprünglich neun Meter hohe „Koloss von Heliopolis“ den rund 600 Jahre später regierenden Pharao Psammetich I., wie die Archäologen nun berichten. Den entscheidenden Hinweis darauf gaben eingemeißelte Schriftzeichen auf dem Rücken des Standbilds.
Es ist eine echte Sensation: Mitten im dicht besiedelten Kairoer Vorort Matariya hat ein deutsch-ägyptisches Archäologenteam vor Kurzem eine riesige Pharaonenstatue entdeckt. Sie stand einst in einem der heiligsten Orte des alten Ägypten. Denn dort, wo heute 70.000 Menschen leben, lag einst Heliopolis – ein dem ägyptischen Sonnengott geweihter und von Pharao Ramses II. errichteter Tempelkomplex. Nach dem Glauben der Ägypter sollte an diesem Ort einst die Welt erschaffen worden sein.
Krone, Kopf und Oberkörper
Seit 2012 arbeiten Archäologen um Dietrich Raue von der Universität Leipzig daran, die Relikte des alten Heliopolis zu bergen, bevor sie durch den Bau neuer Häuser zerstört oder überdeckt werden. Unter den bisherigen Funden sind Reste der 17 Meter breiten Tempelmauern, mehrere Reliefs einer Nilgott-Prozession und zwei Königsstatuen.
Nun kommt der zwei Meter unter dem Grundwasserspiegel im Schlamm entdeckte „Koloss von Heliopolis“ dazu. Unter den Bruchstücken der Quarzit-Statue war der mehr als ein Meter großer Kopf, die Pharaonenkrone und der vier Meter hohe Oberkörper der Figur, sowie der Sockel des Standbilds.
Psammetich statt Ramses II.
Weil die ursprünglich neun Meter große Statue unweit des Tempels von Ramses II. gefunden wurde, hielten die Archäologen den Fund zunächst für ein Standbild dieses ab 1279 vor Christus regierenden Pharaos. Doch nähere Untersuchungen nach der Bergung der Statuenstücke widerlegen diese Annahme nun.
„Wir haben auf der Rückseite der Statue vier Zeichen entdeckt“, berichtet Raue. „Sie bedeuten ‚Herr des Armes‘. Das ist der Inbegriff von Tatkraft und der Name, der ausschließlich für Psammetich I. verwendet wurde.“ Dieser König regierte Ägypten von 664 bis 610 vor Christus und ist dafür bekannt, dass er die Besatzung Ägyptens durch die Assyrer beendete und Ober- und Unterägypten wieder vereinte.
600 Jahre jünger
Der Koloss von Heliopolis ist demnach rund 600 Jahre jünger als ursprünglich angenommen. Dafür ist er die größte bisher gefundene Statue des Pharao Psammetich I. – und das einzige überlebensgroße Standbild dieses Königs, wie die Archäologen berichten. „Es ist das erste Mal, dass etwas in dieser Größe aus der Spätzeit gefunden wurde“, sagt Raue.
Hinweise auf die Herkunft des Kolosses aus der Spätzeit Ägyptens lieferten auch vergleichende Untersuchungen der Standbild-Merkmale. „Die Krone sah aus wie aus der Zeit um 1900 vor Christus, aber die Augenpartie wie 1300 vor Christus – diese Mischung ist typisch für diese Epoche „, erklärt Raue.
Die Überreste des Kolossal-Standbilds befinden sich jetzt im Garten des Ägyptischen Museums von Kairo. „Der Stein war mehr als 1.000 Jahre unter der Erde und muss sich jetzt erst einmal an die Umgebung gewöhnen. Das wird von Restauratoren begleitet“, erläutert Raue. Er und sein Team wollen währenddessen die Grabungen in der Nähe des Kairoer Fundortes fortsetzen. Sie hoffen, dort doch noch das Unterteil der Statue zu finden.
(Universität Leipzig, 20.03.2017 – NPO)