Fatale Strömungsveränderung: Extremwetter werden überall auf der Erde immer häufiger. Schuld daran ist nicht nur die Erderwärmung selbst – sondern auch ihre Auswirkung auf den Jetstream. Das haben Forscher nun mithilfe von historischen Wetterdaten und Klimasimulationen gezeigt. Durch die zunehmende Freisetzung von Treibhausgasen durch den Menschen kommt es demnach vermehrt zu veränderten Luftbewegungen in der Atmosphäre, die das Auftreten von Hitzewellen und Co begünstigen.
In der Arktis steigen die Temperaturen durch den Klimawandel stärker als irgendwo sonst auf dem Globus. Das aber hat Folgen für das gesamte Klimasystem: Wenn das Temperaturgefälle zwischen kalten Polen und warmem Äquator geringer wird, wird der Jetstream langsamer und beginnt stärker zu pendeln. Diese erdumspannende Luftströmung hoch über uns ist für das Wetter der Nordhalbkugel entscheidend – verändert sie sich, kann sich das mitunter erheblich auswirken.
Wissenschaftler vermuten schon länger, dass nicht nur die globale Erderwärmung selbst, sondern auch die veränderten Zirkulationsmuster des Jetstreams für die zunehmenden Wetterextreme der vergangenen Jahre verantwortlich sind. „Wenn in einer Region über Wochen das gleiche Wetter herrscht, können sich sonnige Tage in eine schwere Hitzewelle auswachsen oder Regen in eine Flutkatastrophe“, erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Feststeckende Jetstream-Wellen
Zu solchen Phänomenen kommt es vor allem dann, wenn die wellenförmigen Luftbewegungen des Jetstreams nahezu feststecken und sich dadurch stark aufschaukeln – anstatt sich wie normalerweise üblich zeitnah weiterzubewegen. Doch sind wirklich die menschengemachten Treibhausgas-Emissionen mit schuld daran, dass sich extreme Wetterverhältnisse begünstigende Strömungen entwickeln?
Um diese Frage beantworten zu können, warf das Team um Rahmstorf und Studienleiter Michael Mann von der Pennsylvania State University in State College einen Blick in die Vergangenheit. Das Ziel: Das Auftreten jener Strömungsbedingungen zu dokumentieren, die Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Co fördern.
Blick in die Vergangenheit
Dafür wertete das Team Klimamodelle, Satellitendaten und historische Temperaturaufzeichnungen aus. „Gute Satellitenbilder gibt es erst seit relativ kurzer Zeit. Temperaturdaten aber existieren seit den 1870er Jahren und sind deshalb besonders gut geeignet, um langfristige Veränderungen zu erkennen“, sagt Rahmstorfs Kollege Kai Kornhuber.
Tatsächlich erlaubten auch die Temperaturinformationen allein schon einen Rückschluss auf die herrschenden Strömungsverhältnisse. Denn die Forscher stellten fest: Immer wenn auf den Satellitenbildern die feststeckenden Jetstream-Wellen zu sehen sind, zeigt sich eine charakteristische Temperaturverteilung. „Wir konnten deshalb anhand der Temperaturdaten auch die Luftströmungen für jene Zeit rekonstruieren, in der es noch keine Satellitendaten gab“, so Kornhuber.
Industrialisierung als Schlüsselereignis
Das Ergebnis der Analyse: Die für einen quasi feststeckenden Jetstream typischen Temperaturmuster haben seit dem Beginn des Industriezeitalters um fast 70 Prozent zugenommen. Seitdem der Mensch im großen Stil fossile Brennstoffe nutzt und dabei Unmengen an Kohlenstoffdioxid freisetzt, ist der Jetstream demnach immer häufiger ungewöhnlich langsam.
Ein Großteil dieses Effekts ist dabei erst in den letzten vier Jahrzehnten aufgetreten. „Dass der Jetstream sich öfter über lange Zeit stark windet, ist ein recht neues Phänomen – das macht es noch bedeutsamer“, sagt Mitautor Dim Coumou von der Freien Universität Amsterdam.
Blick in die Zukunft
Die von den Forschern durchgeführten Klimasimulationen bestätigten schließlich, dass tatsächlich die steigenden Treibhausgasemissionen hinter den beobachteten Veränderungen zu stecken scheinen. „Bisher haben wir uns ausschließlich historische Simulationen angesehen. Der nächste Schritt ist nun, Modelle für die Zukunft zu analysieren, um zu schauen, mit was wir in Sachen Wetterextremen künftig rechnen müssen“, schließt Studienleiter Mann. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/srep45242)
(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung/ Penn State, 28.03.2017 – DAL)