Himmelskörper auf Abwegen: Forscher haben einen Asteroiden entdeckt, der im Bereich von Jupiters Orbit um die Sonne kreist – und zwar falsch herum. Damit droht der Geisterfahrer regelmäßig mit dem Planeten zu kollidieren. Erstaunlicherweise tut er das jedoch seit mindestens einer Million Jahren nicht. Denn die einzigartige Konfiguration der beiden Himmelskörper ist erstaunlich stabil. Ausgerechnet die Gravitationskräfte Jupiters halten den Asteroiden auf sicherem Kurs.
Unsere Sonne umkreisen nicht nur Planeten, sondern auch zahlreiche Asteroiden. Viele davon reisen dabei im Bereich derselben Orbits wie Venus, Erde, Mars und Co. Allein der Jupiter muss seine Umlaufbahn mit 6.000 Asteroiden teilen: Diese sogenannten Trojaner bewegen sich in die gleiche Richtung wie der Planet und halten stets einen sicheren Abstand zu ihm ein. Kollisionen zwischen den kleinen und großen Himmelskörpern können so trotz des hohen Verkehrsaufkommens vermieden werden.
Nun haben Astronomen um Paul Wiegert von der University of Western Ontario im kanadischen London jedoch einen Trojaner entdeckt, der sich augenscheinlich nicht an die Verkehrsregeln hält. Der Asteroid 2015 BZ509, Spitzname „BZ“, ist als Geisterfahrer auf Jupiters Bahn unterwegs: Er bewegt sich genau entgegengesetzt zu allen anderen Himmelskörpern in dem Orbit. Ein gefährlicher Zusammenstoß scheint da vorprogrammiert – vor allem eine Kollision mit dem um ein Vielfaches größeren Planeten könnte dem Asteroiden schnell zum Verhängnis werden.
Unfallfrei dank Gravitation
Erstaunlicherweise scheint er jedoch bereits seit mindestens einer Million Jahren falsch herum unterwegs zu sein. Das zumindest legen die Daten nahe, die die Forscher unter anderem bei der Beobachtung des Asteroiden durch das Large Binocular Telescope in Arizona gewonnen haben. Wie aber ist es möglich, dass der Riese und der Zwerg noch nie zusammengestoßen sind? Schließlich müsste die Schwerkraft Jupiters den Geisterfahrer über kurz oder lang einfangen – oder ihn aber aus der Bahn befördern, würde man vermuten.
„Der Asteroid kreuzt innerhalb einer Sonnenumrundung zweimal Jupiters Bahn“, sagt Wiegerts Kollege Martin Connors. Einmal bewegt er sich innen vorbei und schiebt sich zwischen den Planeten und die Sonne. Einmal passiert er den Planeten auf der äußeren Seite. Für die Sicherheit des Falschfahrers sorgt dabei Jupiter selbst: Durch seine Gravitation lenkt er „BZ“ auf seinem Weg jedes Mal ein wenig ab, wenn sich die beiden nahekommen und verschiebt seinen Orbit. „Weil Jupiter einmal von innen und einmal von außen an dem Asteroiden zieht, gleichen sich die störenden Effekte bemerkenswerter Weise aus“, erklärt Connors. Dies ermögliche „BZ“ einen sicheren Kurs zu halten.
Dank diesem eingespielten Rhythmus fliegt der Asteroid jedes Mal zuverlässig an Jupiter vorbei anstatt mit ihm zu kollidieren. Die beiden Himmelskörper behalten stets einen sicheren Abstand zueinander: Sie nähern sich einander nie mehr als 176 Millionen Kilometer an. „BZ“ kommt Jupiter demnach niemals näher als die Erde der Sonne.
Einzigartige Konfiguration
Der unkonventionelle Kurs des Jupiter-Trojaners ist einzigartig. Zwar gebe es einige andere Asteroiden, die die Sonne anders herum umkreisen als die meisten Himmelskörper, berichten die Wissenschaftler. Diese befinden sich jedoch weit von großen Planeten entfernt. 2015 BZ509 ist bislang der einzige bekannte Asteroid, der sich in entgegengesetzter Richtung bewegt und gleichzeitig seinen Orbit mit einem Planeten teilt. „Ein Objekt in einer solchen ungewöhnlichen Konfiguration zu finden, ist in der Tat eine Überraschung“, sagt Wiegert.
Viele Geheimnisse des Geisterfahrers müssen die Forscher in Zukunft erst noch lüften. So ist zum Beispiel rätselhaft, wie der Himmelskörper überhaupt auf seinen rückwärtsgerichteten Kurs geraten ist. Unklar bleibt zudem, ob es sich bei „BZ“ um einen steinigen Asteroiden handelt – oder ob der Himmelskörper womöglich ein inaktiver Kometenkern ist. Um das herauszufinden haben die Astronomen allerdings massig Zeit. Denn ihre Kalkulationen zeigen: „BZ“ wird wahrscheinlich auch in einer Million Jahren noch unfallfrei auf Jupiters Bahn unterwegs sein. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature22029)
(Large Binocular Telescope Corporation/ Western University Onatrio/ Athabasca University, 30.03.2017 – DAL)