Trotz Riesenklauen kein Fleischfresser: Die urzeitlichen Riesenfaultiere ernährten sich offenbar doch rein vegetarisch, wie eine neue Studie klarstellt. Wegen der Größe und der enormen Krallen des Megatheriums herrschte über den Speiseplan dieser ausgestorbenen Säuger bisher Uneinigkeit. Die Isotopenanalyse fossiler Knochen hat nun für Klarheit gesorgt: Das Megatherium war wie die heutigen Faultiere ein reiner Pflanzenfresser.
Faultiere sind eigentümliche Geschöpfe. Sie verbringen einen großen Teil ihres Lebens kopfüber in Bäumen hängend, wobei sie sich mit ihren langen Krallen am Ast festklammern. So etwas wäre dem urzeitlichen Verwandten der heutigen Faultiere nicht möglich gewesen: Denn das vor 10.000 Jahren lebende Megatherium konnte so groß werden wie ein Elefant – und blieb daher schon wegen seines enormen Gewichts am Boden.
Umstritten war jedoch bisher, was auf dem Speiseplan des Megatheriums stand – ob es sich, wie die heutigen Faultiere, rein vegetarisch ernährte. Besonders die gewaltigen Klauen des Riesenfaultiers gaben Anlass zu Spekulationen: Nutzten die Faultiere sie zum Aufgraben von unterirdischen Insektenkolonien? Oder waren ihre langen Krallen gar Jagdwerkzeuge und die riesigen Tiere fraßen Fleisch? „Dieser Fragestellung sind wir in unserer neuen Studie nachgegangen“, sagt Biogeologe Hervé Bocherens von der Universität Tübingen.
Unvergleichbare Zähne
Üblicherweise lassen sich Ernährungsgewohnheiten fossiler Tiere anhand von deren Zahnform und -abnutzung ableiten, wie die Forscher berichten. Das Problem im Falle des Riesenfaultiers: Dessen Zähne sind nicht mit denen heutiger Tiere vergleichbar. „Wir mussten uns daher einer anderen Methode bedienen“, sagt Bocherens.
Dazu haben er und sein Team die Zusammensetzung von Kohlenstoffisotopen in fossilen Knochen gemessen und so die Anteile von Protein- und Mineralgehalt im Knochen aufgeschlüsselt. Da der Proteinanteil bei Fleischfressern ernährungsbedingt sehr viel höher ist als bei Pflanzenfressern, kann so eine Aussage über die Ernährungsgewohnheiten von längst ausgestorbenen Arten getroffen werden.
Was Knochen verraten
„Unsere Messungen zeigen, dass sich Megatherium ausschließlich pflanzlich ernährte“, erläutert Bocherens. Um dies zu belegen haben die Wissenschaftler die Proteinanteile der versteinerten Faultierknochen mit über 200 Knochen von heute lebenden Säugetieren verglichen, sowie mit fossilen Funden von Fleisch- und Pflanzenfressern.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Ernährung von Tieren mit dieser Methode auch mehrere tausend Jahre nach ihrem Tod rekonstruieren lässt“, berichtet der Biogeologe. Ihm zufolge sind die neuen Erkenntnisse wichtig, um Rolle des Megatheriums in den vergangenen Ökosystemen besser zu verstehen.
„Zudem können uns die Ergebnisse helfen, die Interaktionen zwischen Megatherium und den ersten Einwohnern Amerikas nachzuvollziehen – deren Lebensräume überlappten für einige Jahrtausende bevor die Riesenfaultiere ausstarben“, ergänzt Bocherens. (Gondwana Research, 2017; doi: 10.1016/j.gr.2017.04.003)
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 19.04.2017 – CLU)