Forscher schlagen Alarm: Eine für Salamander und Molche tödliche Pilzkrankheit breitet sich fast unaufhaltbar in Europa aus. Der Pilz ist hochansteckend, kann lange im Boden überdauern und führt in kurzer Zeit zum Tod. Das Fatale daran: Weil das Immunsystem der Amphibien keine Abwehrreaktion aufbaut, ist kein Salamander gegen diesen Pilz resistent, auch eine Schutzimpfung würde nicht wirken, wie die Forscher berichten.
Es begann im Jahr 2010: Eine geheimnisvolle Krankheit raffte in den Niederlanden einen Großteil der Feuersalamander hinweg. Wenig später stellten Forscher fest, dass ein aus Asien eingeschleppter Pilz die Ursache dieser tödlichen Seuche ist. Der Batrachochytrium salamandrivorans – Salamanderfresser – getaufte Pilz befällt bei Salamandern und Molchen die Haut, verursacht dort Nekrosen und führt nach fortschreitender Lähmung schließlich schnell zum Tod.
Tödliche Gefahr
Das Fatale daran: Offenbar sind die Salamander und Molche Europas gegen diese Pilzkrankheit besonders anfällig. Forscher befürchten, dass der bisher in den Niederlanden, Belgien und Teilen Deutschlands verbreitete Pilz sich über ganz Europa ausbreiten könnte – mit entsprechender Gefahr für die europäischen Lurche.
Jetzt liefern An Martel von der Universität Ghent in Belgien und ihre Kollegen neue, wenig ermutigende Informationen über den Pilz und seine verheerende Wirkung. Für ihre Studie hatten sie den Verlauf der Infektion bei einer Population von Feuersalamandern im belgischen Robertville zwei Jahre lang verfolgt und ergänzende Laborversuche durchgeführt.
Kollaps der Populationen
Das erschreckende Ergebnis: Nach dem ersten Auftauchen des Pilzes dauerte es nur zehn Tage, bis ein Drittel der Tiere in dem befallenen Gebiet erkrankt waren. Von diesen überleben im Mittel nur 13 Prozent die nächsten zehn Tage, wie die Beobachtungen ergaben. Insgesamt starben bis zum Ende der Studienzeit gut 90 Prozent der Population.
„Die Einführung von Batrachochytrium salamandrivorans führt zu einem schnellen Kollaps der Salamanderpopulation – ohne jedes Zeichen einer Erholung der Bestände“, berichten Martel und ihre Kollegen. Denn der Pilz rottet die erwachsenen, fortpflanzungsfähigen Tiere als erste aus und selbst die wenigen Überlebenden bleiben hochgradig anfällig: „Steckten sie sich später an, lag ihre Todesrate bei 100 Prozent“, berichten die Forscher.
Keine Immunabwehr
Doch warum ist der „Salamanderfresser“ so extrem virulent? Eine Antwort lieferten Infektionsversuche im Labor: Werden die Feuersalamander infiziert, reagiert ihre Immunabwehr nicht auf den Krankheitserreger. Die Tiere haben damit keine Chance gegen die tödliche Pilzkrankheit und können auch keine Resistenzen aufbauen. Das aber bedeutet, dass auch Impfungen gegen diesen Erreger nichts helfen würden, wie Martel und ihre Kollegen erklären.
Hinzu kommt, dass die Pilzsporen hochansteckend und sehr haltbar sind: Bereits der Kontakt mit wenigen Sporen reicht, um die Salamander tödlich erkranken zu lassen. Gleichzeitig bildet der Pilz sehr widerstandsfähige Sporen, die noch tagelang im Boden überdauern können, wie die Wissenschaftler feststellten. Ist ein Gebiet daher einmal befallen, können dort wahrscheinlich noch sehr lange Zeit keine Salamander ungefährdet mehr leben. Ein zusätzliche Ansteckungsgefahr geht zudem von weniger anfälligen Arten wie dem Bergmolch aus: Sie erkranken selbst nicht, infizieren aber ihre Umwelt und jeden Salamander, mit dem sie in Kontakt kommen.
Ein „perfekter Feind“
Der „Salamanderfresser“-Pilz sei ein geradezu „perfekter Feind“, sagen die Forscher. Er hat eine außergewöhnlich hohe Virulenz, tötet mehr als 90 Prozent seiner Wirte ohne dass diese eine Resistenz gegen ihn entwickeln können und kann zudem noch lange in der Umwelt überleben. Ist ein Gebiet einmal von B. salamandrivorans befallen, gibt es für die dort lebenden Salamander daher so gut wie keine Rettung mehr.
„Durch die Kombination dieser Merkmale wird dieser Pilz wie ein perfekter Sturm durch Europa fegen und könnte dabei sehr schnell die hochanfälligen Salamander-Populationen auslöschen“, waren Martel und ihre Kollegen. „Bisher gibt es keine Möglichkeiten, die Verbreitung dieser Pilzkrankheit vor Ort zu stoppen oder sie zu behandeln.“
Evakuieren und alle Importe stoppen
Was aber kann man tun? „Momentan sind ex situ-Erhaltungsprogramme die einzige Intervention, die uns zur Verfügung steht“, konstatieren Martel und ihre Kollegen. Sie schlagen vor, ein europäisches Frühwarnsystem einzurichten, um die Ausbreitungsfront des Pilzes zu überwachen. Droht der Befall eines Gebiets, könnte dann wenigstens ein Teil der gefährdeten Salamanderpopulation evakuiert werden.
Um die Ausbreitung zu verhindern, hat die Europäische Union bereits ein Forschungsprojekt lanciert, um rasch wissenschaftliche Grundlagen für die Bekämpfung des „Salamanderfressers“ zu schaffen. Außerdem raten die Forscher, alle Importe von Salamandern und Molchen in noch pilzfreie Gebiete zu stoppen. Gerade der Handel mit Amphibien gilt als eine der Hauptursachen für den weltweiten Siegeszug verschiedener Amphibienpilze. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature22059)
(Nature, Universität Zürich, 20.04.2017 – NPO)