Blutrotes Wasser: Forscher haben die Frage geklärt, woher das seltsam rote Wasser des antarktischen Taylor-Gletschers stammt. Radaraufnahmen enthüllen, dass das Salzwasser nicht unter dem Gletscher fließt, sondern durch verzweigte Kanäle im Gletschereis selbst. Diese leiten das Wasser von einem sechs Kilometer entfernten subglazialen Reservoir bis zur Gletscherzunge. Flüssig bleibt das Wasser dabei nur durch eine spezielle Kombination von Bedingungen.
Der berühmte Blutfall sorgt schon seit seiner Entdeckung im Jahr 1911 für Aufsehen. Denn immer wieder tritt an der Zunge des Taylor-Gletschers in der Ostantarktis blutrotes, salziges Wasser aus dem weißen Eis aus – scheinbar aus dem Nichts. Tatsächlich färbt sich das Wasser erst bei Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft so rot – der Sauerstoff oxidiert offenbar das im Wasser enthaltene Eisen.
Salzwasser unter dem Eis
Doch woher kommt dieses Wasser? Untersuchungen ergaben, dass es aus einem versteckten Reservoir irgendwo unter dem Gletscher stammen muss. Erste Messungen ließen auf einen See aus flüssigem Salzwasser unter 400 Metern Eis und in bis zu sechs Kilometern Entfernung von der Austrittsstelle des Blutfalls schließen. Dieses Reservoir könnte einst zu einem Meeresarm gehört haben, der vor rund einer Million Jahren vom Meer abgeschnitten und vom, Eis eingeschlossen wurde.
Der hohe Salzgehalt von bis zu 13 Prozent und der Druck des Eises, so die Hypothese, halten dieses Salzwasser flüssig. Wie aber kommt das Salzwasser von dem kilometerweit entfernten Reservoir bis an die Gletscherzunge und zum Blutfall? Antworten auf diese Frage liefern nun Jessica Badgeley von der University of Washington und ihre Kollegen.
Für ihre Studie nutzten sie ein spezielles Radarmessgerät, um den Taylor-Gletscher zu durchleuchten. Weil Salzwasser und Gletschereis die Radiowellen unterschiedlich stark reflektieren, lassen sich damit flüssigkeitsgefüllte Zonen im Gletscher sichtbar machen.
Verzweigte Kanäle im Gletschereis
Die Aufnahmen enthüllten: Das Salzwasser strömt offenbar nicht unter dem Gletscher entlang wie bisher angenommen. Stattdessen zeigen die Radarbilder ein verzweigtes Netzwerk von Kanälen im Eis des Gletschers. „Diese endoglaziale Zone bildet eine zuvor unbekannte Verbindung zwischen dem subglazialen Salzwasser- Reservoir und seinem Austritt im Blutfall“, so die Forscher.
Ob diese Kanäle rundherum von Eis umschlossen sind oder ob es sich um Spalten handelt, die von etwa der Eismitte bis zum Grund des Gletschers reichen, ist bisher noch unklar. Zahlreiche wieder gefrorene Relikte von basalen Rissen an der Eisfront lassen jedoch vermuten, dass diese Kanäle bis zum Gletschergrund herabreichen, so die Forscher.
Durchs Gefrieren erwärmt?
Das Spannende an dieser Entdeckung: Eigentlich müsste die Kälte des Gletschers die Kanäle trotz des Salzwassers gefrieren lassen. Denn wie die Forscher ermittelten, senkt der Salzgehalt den Gefrierpunkt des Wassers nur auf minus 7 Grad. Die Temperaturen im Gletschereis liegen jedoch bei minus 17 Grad. „Damit bleibt eine Temperaturdifferenz von 10 Grad“, so Badgeley und ihre Kollegen.
Wieso fließt das Salzwasser dennoch durch die Gletscherkanäle, ohne komplett zu gefrieren? Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte die Restwärme von Gletschereis selbst stammen: Wenn Wasser gefriert, gibt es überschüssige Energie in Form von Kristallisationswärme ab. „Es klingt zwar paradox, aber Wasser gibt Wärme ab, wenn es gefriert – und das könnte das Eis um die Kanäle herum erwärmen“, sagt Badgeley. „Der Taylor-Gletscher ist damit der kälteste bekannte Gletscher mit flüssigem Wasser.“
Versteckter Austritt im Schmelzwassersee
Und noch etwas enthüllten die Radaraufnahmen: Ein Teil der verborgenen Kanäle im Gletscher enden nicht am Blutfall, sondern führen nach Süden. Die Wissenschaftler vermuten, dass Salzwasser aus dem subglazialen Reservoir daher auch dort aus dem Gletscher austritt.
Weil die Kanäle dort in den Lake Bonney – einen Schmelzwassersee – münden, blieben diese Austritte bisher unbemerkt. „Chemische Analysen von Wasserproben bestätigen jedoch, dass Salzlauge ähnlich der am Blutfall in der Tiefe des Lake Bonney austreten muss“, berichten Badgeley und ihre Kollegen. Weil diese Lauge verdünnt wird, bevor sie mit viel Sauerstoff in Kontakt kommt, färbt sich dieser See nicht rot. (Jrounal of Glaciolofgy, 2017; doi: 10.1017/jog.2017.16)
(University of Alaska Fairbanks, 27.04.2017 – NPO)