Ländervergleich leichtgemacht: Eine interaktive Weltkarte zeigt erstmals im Detail, in welchen Ländern welche Antibiotika-Resistenzen verbreitet sind. Sie enthüllt beispielsweise, dass Dänen in Europa am wenigsten resistente Darmkeime in sich tragen, Franzosen am meisten. Weltweit die unrühmlichen Spitzenreiter in puncto Antibiotika-Resistenzen sind allerdings China und Singapur, wie die von russischen Forschern entwickelte und fortlaufend ergänzte Karte belegt.
Bisher waren Antibiotika die schärfste Waffe der Medizin gegen Infektionen, doch ihre Wirksamkeit nimmt immer mehr ab. Die Zahl resistenter und multiresistenter Bakterien nimmt immer weiter zu – auch in Europa. Die WHO schätzt, dass im Jahr 2050 weltweit zehn Millionen Menschen jährlich allein durch Antibiotika-Resistenzen sterben könnten. Sie hat erst vor Kurzem eine Liste der gefährlichsten „Superkeime“ veröffentlicht.
Resistenzverbreitung interaktiv
Wo besonders viele resistente Keime im Umlauf sind, zeigt nun eine erste interaktive Weltkarte des Resistoms. Forscher des Moskauer Instituts für Physik und Technologie (MIPT) haben dafür bisher Daten von 1.600 Menschen aus 15 Ländern ausgewertet. Weitere Daten sollen sukzessive dazu kommen. Die Wissenschaftler erfassen dabei die Art und Häufigkeit von Resistenzen in der Darmflora der Probanden.
Die Darmflora gilt als wichtiges Reservoir und Gradmesser für Antibiotika-Resistenzen. Denn zum einen können die Darmkeime neue Abwehrstrategien entwickeln, wenn ihr Träger häufig eine Antibiotikabehandlung erfährt. Zum anderen können diese Bakterien ihre Resistenzgene dann leicht an bakterielle Krankheitserreger weitergeben.
Dänen wenig, Franzosen viel
Die auf Basis dieser Daten erstellte „ResistoMap“ zeigt die geografische Verteilung der Antibiotika-Resistenzen weltweit an. Zusätzlich jedoch liefert sie Informationen über einzelne Länder und spezifische Antibiotikaklassen. Per Rollover lässt sich für jedes Land abfragen, wie hoch die Resistenzdichte für jede dieser Klassen ist. Auch nach Alter, Geschlecht und Diagnose der Teilnehmer könne die Daten sortiert werden.
Die Karte enthüllt beispielsweise, dass die Darmflora der Dänen im Vergleich zu anderen Europäern am wenigsten Resistenzen aufweist. Auch in Schweden ist die Resistenzdichte eher niedrig. Deutschland liegt dagegen eher mit Mittelfeld, bei uns sind unter anderem die Resistenzen gegen Beta-Lactam-Antibiotika bereits deutlich erhöht. Am meisten resistente Darmkeime gibt es allerdings in Frankreich, gefolgt von Spanien. Ein Grund dafür: Frankreich hat den höchsten Antibiotika-Verbrauch in Westeuropa, wie die Forscher erklären.
Extreme Gegensätze: China und Venezuela
Noch schlechter allerdings sieht es in China und Singapur aus: Hier liegt die durchschnittliche Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen noch höher als in Europa, wie die Karte zeigt. Die Gründe dafür sind zum einen der freie Verkauf von Antibiotika, eine häufigere Verschreibung der Mittel und in China vor allem der massive Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. Erst kürzlich wiesen Forscher nach, dass dadurch sogar das Sediment in den großen Mündungsgebieten Chinas bereits mit resistenten Bakterien verseucht ist.
Das andere Extrem sind die Ergebnisse für Venezuela: Hier hatten Forscher die Darmflora der dort lebenden Ureinwohner untersucht – Menschen, die bisher kaum Kontakt mit westlicher Medizin hatten. Wie dadurch zu erwarten, weisen dadurch auch in ihre Darmbakterien nur sehr wenig Resistenzen auf.
Die Forscher hoffen, dass ihre interaktive Karte künftig dabei hilft, neue Gefahren und Trends in der Resistenzentwicklung schnell zu erkennen und visualisieren zu können. Gleichzeitig könnten die Informationen dazu beitragen, einer weiteren Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen vorzubeugen. „Wir erwarten, dass diese Karte des globalen Darm-Resistoms neue Einblicke darin liefert, wie die Nutzung von Antibiotika in Medizin und Landwirtschaft optimiert werden kann“, sagt Konstantin Yarygin vom MIPT.
Die interaktive „ResistoMap“ ist im Internet frei zugänglich.
(Moscow Institute of Physics and Technology, 05.05.2017 – NPO)