Debatte unter Astronomen: Was verursacht den Überschuss an Gammastrahlung aus dem Herzen der Milchstraße? Bisher galt dieses „Gammaglühen“ als mögliches Indiz für Teilchen Dunkler Materie. Daten des Fermi-Teleskops scheinen dem nun zu widersprechen. Nach diesen könnte der Strahlenüberschuss auch von den zahlreichen Pulsaren im Milchstraßenzentrum stammen – ganz ohne Zutun der Dunklen Materie.
Die Dunkle Materie ist überall im Weltraum zu finden: Sie verbirgt sich in „Dunklen“ Galaxien, aber auch in unserer Milchstraße und bildet unsichtbare kosmische Filamente . Doch aus welchen Teilchen diese exotische Materieform besteht, bleibt rätselhaft.
Gammastrahlen als Teilchen-Indiz?
Ein Indiz für diese Teilchen könnte nach Ansicht einiger Forscher ein Überschuss von Gamma- und Röntgenstrahlung sein, der aus dem Zentrum der Andromedagalaxie und auch unserer Milchstraße registriert wurde. Der Theorie nach könnte diese Strahlung freiwerden, wenn die Teilchen der Dunklen Materie sich bei Kollisionen gegenseitig auslöschen und dabei Energie freisetzen.
Allerdings: Auch andere kosmische Phänomene können Gammastrahlen aussenden, darunter vor allem Quasare und die bei vielen Sternexplosionen übrigbleibenden Pulsare. Diese schnellrotierenden, stark magnetisierten Neutronensterne senden einen Doppelstrahl gebündelter Strahlung aus. Im Falle der Milchstraße jedoch lässt sich der Gammastrahlen-Überschuss nicht durch solche „normalen“ Quellen erklären – so jedenfalls der bisherige Stand der Dinge.
Gesprenkelt statt gleichförmig
Jetzt jedoch haben Astronomen der Fermi LAT Kollaboration die Gammastrahlung aus dem Zentrum der Milchstraße noch einmal genauer untersucht. Sie nutzten das Gammastrahlen-Weltraumteleskop Fermi der NASA, um das Spektrum der Strahlung zu analysieren und suchten gleichzeitig nach möglichen „normalen“ Quellen für dieses Gammaglühen des galaktischen Zentrums.
Dabei zeigte sich: Die Gammastrahlung aus dem Milchstraßenzentrum ist weitaus weniger gleichförmig als bisher angenommen. Stattdessen erscheint sie eher gesprenkelt, mit stärkeren und schwächeren Bereichen. Das jedoch widerspricht einem Ursprung in der Dunklen Materie, wie die Forscher erklären. „Bei einem Signal der Dunklen Materie erwarten wir eine gleichmäßige Verteilung, die gesprenkelte Verteilung deutet dagegen eher auf Punktquellen hin“, erklärt Eric Charles von der Stanford University.
Pulsare statt Dunkler Materie?
Und noch etwas spricht für einen eher „normalen“ Ursprung: Das Spektrum des Gammaglühens stimmt gut mit den typischen Merkmalen der von Pulsaren ausgesandten Gammastrahlung überein, wie die Astronomen berichten. „Die Emissionen von Pulsaren variieren in einer spezifischen Weise mit der Energie der von ihnen ausgesendeten Gammastrahlen“, erklärt Charles‘ Kollege Mattia Di Mauro.
Und genau diese Signatur haben die Astronomen auch in der Gammastrahlung der Milchstraße entdeckt. „Angesichts der Tatsache, dass rund 70 Prozent aller Punktquellen in der Milchstraße Pulsare sind, waren sie ohnehin die wahrscheinlichsten Kandidaten“, sagt Di Mauro.
Mithilfe eines astrophysikalischen Modells ermittelten die Forscher, dass schon die Präsenz von rund tausend Pulsaren im Milchstraßenzentrum ausreichen könnte, um die vermeintlich überschüssige Gammastrahlung zu erklären. „Unsere Studie belegt, dass wir keine Dunkle Materie benötigen, um die Gammastrahlen-Emissionen unserer Galaxie zu verstehen“, so Di Mauro.
…oder doch nicht?
Allerdings: Noch ist das letzte Wort im Deutungsstreit des Gammaglühens nicht gesprochen. Denn wenn wirklich Pulsare das Gammaglühen verursachen, dann dürften die Zwerggalaxien im Umfeld der Milchstraße diese überschüssige Strahlung nicht aussenden. Der Grund: Ihr Zentrum enthält meist nur wenige Sterne und keine Pulsare, dafür aber besonders viele Dunkle Materie.
Im Jahr 2015 haben Astronomen tatsächlich erstmals eine Zwerggalaxie entdeckt, aus deren Richtung überschüssige Gammastrahlung zu kommen scheint. Noch sind dies vorläufige Daten mit eher geringer Verlässlichkeit. Sollte sich dies jedoch bestätigen, wäre dies eher ein Indiz für die Dunkle Materie als Urheber und gegen die Pulsare. Es bleibt also spannend. (The Astrophysical Journal, in press; arXiv:1705.00009)
(SLAC National Accelerator Laboratory, 08.05.2017 – NPO)