Potenzielle Heimat für Leben? Die klimatischen Bedingungen auf dem uns am nächsten gelegenen erdähnlichen Exoplaneten könnten erstaunlich lebensfreundlich sein. Modellsimulationen mit unterschiedlichen Szenarien zur Atmosphäre und Rotationsbewegung des Himmelskörpers zeigen: Proxima Centauri B verfügt offenbar über ein stabiles Klimasystem. Es könnten demnach durchaus Zonen mit flüssigem Wasser auf seiner Oberfläche existieren, wie die Forscher im Fachmagazin „Astronomy & Astrophysics“ berichten.
Der Rote Zwerg Proxima Centauri ist der nächste Nachbar unserer Sonne. Entsprechend intensiv haben Astronomen dort nach möglichen Planeten gesucht – mit Erfolg. Im August 2016 entdeckten sie dort einen erdähnlichen Exoplaneten – gleichsam direkt vor unserer Haustür: Proxima Centauri B liegt nur rund vier Lichtjahre von uns entfernt und ist kaum größer als unser Heimatplanet.
Zwar umrundet der Himmelskörper seinen Stern im Abstand von nur einem Zwanzigstel der Distanz zwischen Erde und Sonne. Weil Proxima Centauri als Roter Zwerg jedoch deutlich kühler als die Sonne ist, kreist der potenzielle Erdzwilling trotzdem genau in der habitablen Zone. Das heißt: Theoretisch könnten dort Wasser und lebensfreundliche Bedingungen existieren.
Hölle oder Lebensoase?
Ob es auf dem Exoplaneten jedoch tatsächlich Wasser – und damit möglicherweise Leben – gibt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Entscheidend sind dafür vor allem die atmosphärischen und klimatischen Begebenheiten. Je nach Situation könnte es auf Proxima B so angenehm sein wie auf der Erde, ebenso gut aber auch höllenartig wie auf der Venus zugehen. Wissenschaftler um Ian Boutle vom britischen meteorologischen Dienst Met Office in Exeter haben mithilfe von Klimasimulationen nun erforscht, was wahrscheinlicher ist.
Bei ihren Modellberechnungen gingen die Forscher sowohl von einer erdähnlichen Atmosphäre aus, als auch von einer weitaus simpleren Gashülle bestehend aus Stickstoff und Spuren von Kohlendioxid. Außerdem zogen sie unterschiedliche Bewegungsmuster in Betracht: „Wir haben mit unseren Modellen eine Vielzahl unterschiedlicher Szenarien für die Bahnkonfiguration des Planeten untersucht“, erläutert Boutle.
So analysierten die Astrophysiker im Gegensatz zu früheren Studien nicht nur Szenarien, in denen Proxima B gebunden rotiert und seinem Zentralstern während eines Umlaufs stets dieselbe Seite zuwendet. Sie simulierten ebenfalls Systeme, in denen seine Rotation der des Merkurs ähnelt: Bei dem sonnennächsten Planeten stehen Umlaufzeit und Rotationsdauer in einer 3:2-Resonanz.
Erstaunlich lebensfreundlich
Das Ergebnis der Auswertungen macht Hoffnung, dass der uns am nächsten gelegene erdähnliche Exoplanet tatsächlich Leben beherbergen könnte: Proxima B hat offenbar ein erstaunlich stabiles Klimasystem zu bieten. So zeigen sämtliche von den Forschern betrachteten Simulationen, dass der Planet potenziell lebensfreundlich ist.
Zonen mit flüssigem Wasser sind demnach selbst bei einer gebundenen Rotation möglich, wie die Forscher berichten. Günstiger stellt sich die Situation jedoch bei einem Merkur-ähnlichen Rotationsmuster dar. Hinzu kommt: Weicht der Orbit des Exoplaneten womöglich stärker von einer exakten Kreisform ab, würde das die Bedingungen auf der Oberfläche den Modellen zufolge sogar noch lebensfreundlicher machen.
Zu früh für definitive Schlüsse
Leben auf Proxima B – es scheint demzufolge möglich. Allerdings geben Boutle und seine Kollegen zu bedenken, dass ihre Simulationen viele wichtige Aspekte außer Acht lassen. Informationen über mögliche Landmassen auf dem Exoplaneten etwa fehlen dem Team völlig und konnten deshalb nicht berücksichtigt werden. Auch Faktoren wie die jüngst entdeckte Möglichkeit regelmäßiger, heftiger Sonnenstürme im System von Proxima Centauri könnten die in den Modellen berechnete Lebensfreundlichkeit beeinflussen und im schlimmsten Fall zunichte machen.
Noch aber ist es schlicht zu früh, um definitive Schlüsse über die Bedingungen auf dem Planeten zu ziehen. Ob Proxima B tatsächlich lebensfreundlich ist oder nicht, wird erst ein direkter Blick auf den Exoplaneten zeigen. Möglich werden könnte dieser schon ab Ende 2018, wenn das James Webb Space Telescope der NASA an den Start geht. (Astronomy & Astrophysics, 2017; doi: 10.1051/0004-6361/201630020)
(University of Exeter, 17.05.2017 – DAL)