Materialforschung

Römer-Beton verblüfft Forscher

Seltenes Mineral verleiht antikem Beton besondere Festigkeit

Römische Hafenbefestigung in Portus Cosanus (Toskana). Der Beton dieser Mauern ist seit knapp 2.000 Jahren stabil. © J.P. Oleson

Überraschender Fund: Im jahrtausendealten Beton der Römer haben Forscher ein normalerweise sehr seltenes Mineral entdeckt. Dieses verleiht dem antiken Beton Stabilität, indem es als Bindemittel wirkt und die Rissausbreitung hemmt. Das Überraschende daran: Das aluminisierte Tobermorit entsteht normalerweise nur bei starker Hitze. Doch das spezielle Rezept des Römer-Betons lässt dieses Mineral bei bloßem Kontakt mit Meerwasser entstehen.

Beton ist einer der wichtigsten Baustoffe der modernen Welt. Wichtigster Bestandteil ist dabei der Zement, ein aus Kalk, Ton und weiteren Komponenten gebranntes Bindemittel, das beim Aushärten stabile Kalziumsilikat-Verbindungen bildet. Mit Sand und Kies vermischt wird daraus Beton. Das Problem dabei: So hart diese Masse anfangs ist, so wenig dauerhaft ist sie. Schon nach 50 bis 100 Jahren bilden sich Risse und das Bauwerk beginnt zu bröckeln.

Vulkanasche als „Geheimzutat“

Seltsamerweise ist dies beim antiken Beton der Römer nicht der Fall: Römische Hafenanlagen und andere Bauwerke haben fast 2.000 Jahre nahezu problemlos überdauert. Sogar Erdbeben widerstanden die antiken Konstruktionen. Und während moderner Beton bei Kontakt mit Meerwasser noch schneller korrodiert, war dies beim römischen Beton nicht der Fall: „Sobald er in Kontakt mit den Wellen kommt, bildet er eine einzige Steinmasse, undurchdringlich für die Wellen und jeden Tag stärker werdend“, schrieb schon Plinius der Ältere.

Eine der Gründe dafür haben Forscher vor einigen Jahren entschlüsselt: Die Römer mischten vulkanische Aschen unter den Kalk des Rohzements. Angemischt mit Wasser, gröberen Tuffstein- und Aschebrocken führt diese Zusammensetzung zu einer speziellen Reaktion im römischen Beton: Während der langsamen Aushärtung bilden sich plattenförmige, miteinander verschränkte Kristalle eines Kalzium-Aluminium-Silikats, die den Beton stabilisieren.

Seltenes Mineral im antiken Beton

Eine weitere Komponente im römische Beton haben nun Jackson und ihre Kollegen bei ihrer neuen Studie entdeckt. Dafür durchleuchteten sie Dünnschliffe römischer Betonproben mit dem Röntgenlicht eines Synchrotrons am Lawrence Berkeley National Laboratory. Dies erlaubte hochpräzise Analysen der Kristallzusammensetzung.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Römerzement mit aluminisierten Tobermorit-Kristallen. © Marie Jackson

Das überraschende Ergebnis: Der römische Beton enthält ein normalerweise sehr seltenes Mineral: aluminisiertes Tobermorit. Dieses Calcium-Silikat-Mineral mit Aluminiumatomen benötigt für seine Herstellung im Labor enorm hohe Temperaturen und kann nur in kleinen Mengen produziert werden. „Es ist sehr schwierig herzustellen“, sagt Jackson.

Das Mineral sorgt durch seine geschichteten, plattenförmigen Kristalle für zusätzliche Stabilität. Wie die Forscher herausfanden, bildeten sich die Mineralkristalle vor allem zwischen der Oberfläche der größeren Brocken im Römer-Beton und dem feinen Zement. Sie wirken dadurch wie ein Haftmittel und verhindern durch ihre verschränkte Struktur, dass sich Risse im Beton weiter ausbreiten.

Erst Meerwasser machte den Beton stabil

Wie aber kam dieses seltene Tobermorit in den Römer-Beton? Aus antiken Überlieferungen ist bekannt, dass die Römer ihren Zement weder sonderlich hoch noch lange erhitzten. Er muss daher anders entstanden sein. Allerdings: „Bisher hat noch niemand dieses Tobermorit bei Raumtemperatur produziert – außer den Römern“, sagt Jackson.

Der Clou an der rätselhaften Mineralbildung ist offenbar der Kontakt des Zements mit Meerwasser, wie die Forscher herausfanden. Dieses löste Teile der Vulkanasche und führte zu Umkristallisierung und Neubildung von Mineralen in der Masse. Dabei entstand auch aluminisierte Tobermorit. „Entgegen alle Prinzipien moderner Betonbauweise erzeugten die Römer einen steinartigen Beton, der im offenen chemischen Austausch mit Meerwasser sogar florierte“, sagt Jackson.

Moderne Kopien gesucht

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte das Rezept der alten Römer auch heutige Betonbauwerke stabiler und langlebiger machen. Dummerweise ist das genaue Rezept verloren gegangen und auch die von ihnen verwendete Vulkanasche gibt es nicht überall. „Die Römer hatten Glück mit dem italienischen Tuff!“, so Jackson. „In einem Großteil der Welt gibt es diese Gesteine leider nicht, so dass wir sie ersetzen müssen.

Jackson und ihre Kollegen haben bereits begonnen, nach einem Ersatzrezept zu suchen. Dafür experimentieren sie unter anderem mit Meerwasser aus dem Pazifik und Vulkanasche aus dem Westen der USA. Auch einige Zementhersteller forschen bereits an modernen Varianten des Römer-Zements. (American Mineralogist, 2017; doi: 10.2138/am-2017-5993)

(DOE/Lawrence Berkeley National Laboratory, University of Utah, 04.07.2017 – NPO)

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