Impfung gegen den Tumor: Forschern ist es gelungen, fortgeschrittenen Hautkrebs durch eine Immuntherapie zu bekämpfen – nach einem ähnlichen Prinzip wie bei einer Schutzimpfung. Patienten bekamen dafür einen Impfcocktail, der ihre Immunabwehr gezielt auf bestimmte Merkmale der Krebszellen eichte. Dadurch konnte die körpereigene Abwehr die Krebszellen bekämpfen und eine Rückkehr der Tumoren verhindern, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Den Krebs zu besiegen, indem man das eigene Immunsystem auf die Tumore hetzt – dies ist eines der Ziele der modernen Krebsmedizin. Denn bisher schützen sich Krebszellen sehr effektiv gegen die körpereigene Abwehr – unter anderem durch spezielle Botenstoffe, schnelle Mutation und tarnenden Oberflächenproteine. Als Folge reagiert die Immunabwehr gar nicht oder nur gehemmt und die Tumore können so nahezu ungehindert wachsen.
Prinzip Schutzimpfung
Mediziner suchen daher nach Wegen, diese Immunblockade zu durchbrechen. Dies kann beispielsweise gelingen, wenn man die Abwehrzellen dazu bringt, sich bestimmte Merkmale der Krebszellen zu merken und diese dann im Körper gezielt aufzuspüren und zu vernichten – ähnlich wie bei einer Schutzimpfung.
Das Problem: Die potenziellen Angriffspunkte bei den Krebszellen sind bei jedem Patienten und jeder Krebsart verschieden. Hinzu kommt, dass selbst innerhalb eines Tumors verschiedene Zelltypen vorkommen und neue Mutationen auftreten können. Entsprechend schwierig ist es, die Merkmale der Krebszellen zu identifizieren, die sich als „Rotes Tuch“ für die Krebsimpfung eignen.
Variante 1: Peptid-Cocktail gegen den Tumor
Doch jetzt haben gleich zwei Forschergruppen vielversprechende Fortschritte bei einer Immuntherapie gegen den Schwarzen Hautkrebs erzielt. Beiden gelang es in klinischen Studien der Phase I, bei Patienten mit Melanom in fortgeschrittenen Stadium die Wiederkehr des Krebses zu verhindern.
Patrick Ott vom Dana-Farber Institute in Boston und seine Kollegen erstellten für jeden ihrer sechs Patienten zunächst ein genetisches Profil der Tumorzellen und verglichen dieses mit dem Erbgut der gesunden Körperzellen. Auf Basis der Ergebnisse wählten sie dann 20 Peptide aus, die nur auf der Oberfläche der Krebszellen vorkamen und sich als potenziellen Angriffssziele eigneten. Diesen jeweils individuellen Impfcocktail bekamen die Patienten dann mehrfach im Laufe von gut vier Wochen gespritzt.
Variante 2: RNA-Bausteine als Impfstoff
Ugur Sahin von der Universität Mainz und seine Kollegen gingen ähnlich vor. Ihr Impfcocktail bestand jedoch nicht aus Peptiden, sondern aus synthetisch hergestellter und maßgeschneiderter RNA. Diese enthielt die Bauanleitungen für bis zu zehn mutierte Zielpeptide der Tumorzellen. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass auch solche RNA-Schnipsel das Immunsystem gezielt auf Erregermerkmale aufmerksam machen können.
13 Patienten mit fortgeschrittenem Hautkrebs erhielten diesen RNA-Cocktail mindestens achtmal im Verlauf von gut 40 Tagen. Bei beiden Studien analysierten die Forscher die Immunreaktion der Patienten im Verlauf der folgenden 23 bis 32 Monate. Zusätzlich wurde regelmäßig kontrolliert, ob sich neue Melanome oder Metastasen entwickelten.
Hautkrebs-Rückfall verhindert
Das Ergebnis: In beiden Studien erwies sich der Impfcocktail wirksam und gut verträglich. Wie erhofft, aktivierte die Behandlung das Immunsystem der Patienten. Sie produzierten vermehrt T-Killerzellen, die auf die Merkmale der Krebszellen getrimmt waren und auch die die Abwehrreaktion wichtigen Helferzellen wurden aktiviert, wie die Forscher berichten.
Die konkrete Wirkung der Krebsimpfung zeigte sich nach Ablauf der Studienzeit: Beim RNA-Cocktail blieben acht der 13 Patienten tumorfrei. Bei einem weiteren verschwanden die zurückgekehrten Tumore wieder, nachdem die Forscher zusätzlich ein Mittel verabreichten, dass einen immunhemmenden Stoffwechselweg blockierte. Bei der Peptid-Impfung blieben vier der sechs behandelten Patienten auf Anhieb tumorfrei, bei den beiden restlichen wirkte die Kombination mit dem Blockademittel.
„Weg zur personalisierten Krebstherapie“
Nach Ansicht der Wissenschaftler sprechen diese Ergebnisse dafür, dass eine solche Immuntherapie gegen Hautkrebs – und möglicherweise auch andere Krebserkrankungen – machbar und vielversprechend ist. „Unsere Daten liefern starke Argumente für eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes“, konstatieren Ott und seine Kollegen.
Das Team um Sahin zieht das Fazit: „Unsere Studie demonstriert, dass individuelle Krebsmutationen ausgenutzt werden können und öffnet damit den Weg zu einer personalisierten Immuntherapie für Krebspatienten.“ Als nächster Schritt müssen nun beide Impfstoffe gegen Hautkrebs in klinischen Studien der Phase II mit deutlich mehr Teilnehmern getestet werden. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature22991)
(Nature, 06.07.2017 – NPO)