50 Prozent wurde eingeweht
Es zeigte sich: Galaxien wie unsere Milchstraße sind überraschend stark durch solche intergalaktischen Winde geprägt. Sie geben ständig große Mengen an Gas und Staub ab, die dann mit den Winden teilweise wegtransportiert und teilweise wieder ins Galaxienzentrum zurückgelenkt werden. „Dieses Wind-Recycling dominiert die Gasakkretion während eines Großteils der Galaxienentwicklung“, berichten die Astronomen.

Simulation von Gastransfers zwischen Galaxien durch intergalaktische Winde (grün) © Daniel Anglés-Alcázar/ Northwestern University
Die Simulationen enthüllten, dass rund 30 Prozent der in Sternen gebundenen Materie einst aus dem eigenen Galaxienwind recycelt wurde. Weitere 50 Prozent jedoch sind fremden Ursprungs: Diese Atome wurden vom intergalaktischen Wind aus fremden Galaxien eingeweht. Diese Gasströme bewegen sich mit einigen hundert Kilometern pro Sekunde durch den Weltraum und können im Laufe von Millionen von Jahren selbst die weiten Entfernungen zwischen Galaxien überbrücken.
Milchstraße zur Hälfte „fremd“
Das aber bedeutet: Auch unsere Milchstraße könnte zur Hälfte aus „fremder“ Materie bestehen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Großteil der Milchstraßen-Materie einst in anderen Galaxien war“, sagt Anglés-Alcázar. „Sie wurde dann von starken Winden herausgerissen, durch den intergalaktischen Raum getragen und fand dann eine neue Heimat in der Milchstraße.“
Die Hälfte aller Atome in unserer Heimatgalaxie, dem Sonnensystem und auch auf der Erde könnten demnach aus Galaxien stammen, die bis zu einer Million Lichtjahre entfernt lagen und teilweise noch liegen. Sie lieferten der Milchstraße im Laufe der Zeit das Baumaterial für neue Sterne und Planeten. „Damit bestehen auch wir zum großen Teil aus extragalaktischer Materie“, so Anglés-Alcázar.
Animation des intergalaktischen Transfers von Materie von benachbarten Zwerggalaxien zur Milchstraße.© Daniel Anglés-Alcázar/ Northwestern University
Neue Sicht auf Galaxienwachstum
„Diese Ergebnisse transformieren unser Verständnis darüber, wie sich die Galaxien nach dem Urknall bildeten“, sagt Koautor Claude-André Faucher-Giguère von der Northwestern University. Denn schon länger vermuten Astronomen, dass Materietransfer, beispielsweise durch Galaxienkollisionen eine treibende Kraft bei der Entstehung großer Galaxien war.
Doch jetzt wird klar, dass auch der eher unauffällige Galaxienwind hierbei eine tragende Rolle spielte. Vor allem in der kosmischen Neuzeit könnten diese Gasströme sogar der dominierende Prozess gewesen sein, wie die Astronomen erklären.
„Unsere Ursprünge sind viel weniger lokal als wir zuvor dachten“, sagt Faucher-Giguère. „Diese Studie gibt uns einen Eindruck davon, wie die Dinge um uns herum selbst mit weit entfernten Himmelsobjekten verbunden sind.“ (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2017; doi: 10.1093/mnras/stx1517)
(Northwestern University, 27.07.2017 – NPO)
27. Juli 2017