Eisiger Rekord: In der Antarktis haben Forscher erstmals 2,7 Millionen Jahre altes Eis geborgen – das bisher älteste Eis der Erde. Das Spannende: Dieses Eis stammt aus der Zeit kurz vor Beginn des Eiszeitalters und könnte daher verraten, warum damals das Erdklima so wechselhaft wurde. Der Eisbohrkern stammt aus einem Gebiet, in dem die Eisschichten quer gekippt waren. Erst das machte das Uralt-Eis zugänglich.
Eisbohrkerne sind ein Fenster in die Vergangenheit der Erde. Denn im Eis und in den darin eingeschlossenen Luftbläschen sind Gase und Moleküle gespeichert, die Auskunft über Klima und Lebenswelt zur Zeit der Eisentstehung liefern können. Forscher versuchen daher, über Eisbohrungen, an möglichst alte Eisschichten zu gelangen. Der bisher älteste Eisbohrkern reichte jedoch „nur“ knapp 900.000 Jahre zurück. Er stammt aus knapp drei Kilometer tief liegendem antarktischen Eis.
Viel tiefer – und damit weiter zurück – kamen die Bohrungen seither jedoch nicht – trotz intensiver Suche. Das Problem: Zwar ist das Eis der Ostantarktis an vielen Stellen mehrere Kilometer dick. Aber während von oben neues Eis dazu kommt, taut die Wärme des darunterliegenden Felsuntergrunds diese Eisdecke von unten her immer weiter ab. As Folge schmelzen die ältesten Eisschichten als erste weg.
Suche im Blaueis
Um dieses Problem zu umgehen, wählte das Team um Michael Bender von der Princeton University einen anderen Ansatz: Sie suchten in der Antarktis nach Stellen, an denen die Eisschichten durch Strömungen auf die Seite gekippt worden waren. Denn dann, so ihr Hintergedanke, blieb das älteste Eis vor dem Abschmelzen von unten geschützt.
Tatsächlich wurden die Forscher fündig: Im Blaueis der Allan Hills, einer sturmumtosten Region rund 200 Kilometer östlich der McMurdo-Polarstation. Wie es sei Name andeutet, erscheint das Blaueis nicht reinweiß, sondern schimmert eher bläulich. Weil der Wind die obersten, jüngsten Schichten immer wieder wegweht, liegt stark komprimiertes und deshalb leicht bläulich erscheinendes Eis hier direkt an der Oberfläche.
Querbohrung findet ältestes Eis
Bereits 2010 gelang es Bender und seinem Team, in einer Horizontalbohrung einen 128 Meter langen Eiskern zu gewinnen. Zwar war die Schichtenabfolge in diesem gekippten Eis gestört, aber durch Analyse der im Eis eingeschlossenen Argon-Isotope konnten sie die jeweiligen Eiszonen dennoch datieren. Das Ergebnis: Das Eis war bis zu einer Million Jahre alt. Um jedoch weiter zu bohren, reichte damals die Zeit nicht.
Jetzt haben die Wissenschaftler ihre Bohrung an den Allan Hills fortgesetzt – mit spektakulären Erfolg. „Das alte Eis in diesem Eisbohrkern lässt sich drei Altersgruppen zuordnen: eine ein Million Jahre alte, eine 1,5 Millionen Jahre alte und eine mehr als zwei Millionen Jahre alte“, so Bender und seine Kollegen. Wie die Argon-Datierungen ergaben, ist das älteste Eis sogar 2,7 Millionen Jahre alt. Damit ist dieses Eis 1,7 Millionen Jahre älter als alles zuvor geborgene – ein neuer Rekord.
Blick zurück zum Beginn des Eiszeitalters
Noch viel spannender aber: Dieses Eis und die darin konservierte Luft stammt aus einer entscheidenden Phase der Erdgeschichte: Vor rund 2,6 Millionen Jahren begann das Pleistozän – das Eiszeitalter. Nach langen Phasen mit eher stabilem Klima wechselten sich nun Kaltzeiten und Warmzeiten in schneller Folge ab. Die letzte dieser Kaltzeiten endete erst vor rund 12.000 Jahren.
Die im Eis konservierte Luft kann daher Aufschluss darüber geben, wie Atmosphäre und Ozeane kurz vor Beginn des Eiszeitalters beschaffen waren – gab es womöglich schon Anzeichen für die Veränderung? Die Forscher haben bereits herausgefunden, dass die CO2-Werte der Atmosphäre zu jeder Zeit unter 300 parts per million (ppm) lagen – und damit deutlich unter den heutigen 400 ppm.
Dies allein mache diese Eisprobe bereits unglaublich wertvoll, kommentierte der US-Geochemiker David Shuster im Magazin „Science“. „Dies ist die einzige Probe der urzeitlichen Erdatmosphäre, zu der wir Zugang haben.“ Bender und seine Kollegen aber wollen noch mehr: Sie planen bereits, nach Alan Hills zurückzukehren und weiterzubohren. Ihre Hoffnung: Vielleicht finden sie ja noch viel älteres Eis. (Goldschmidt Conference 2017)
(Science Magazine/ Goldschmidt Conference, 17.08.2017 – NPO)