Nicht nur ein Mütter-Ding: Auch frischgebackene Väter können eine postnatale Depression entwickeln. Eine Studie zeigt: Besonders anfällig sind dabei offenbar Männer, deren Testosteron-Spiegel nach der Geburt vergleichsweise niedrig ist. Paradoxerweise scheint sich ein niedriger Hormon-Gehalt des Partners auf die Mütter jedoch gegenteilig auszuwirken: Sie sind zufriedener und weniger gestresst.
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist die Freude erst einmal groß. Die Anstrengungen von Schwangerschaft und Geburt sind überstanden, die Familie ist glücklich. Trotzdem rutschen viele Mütter in den ersten Tagen nach der Entbindung in ein Stimmungstief ab. Sie weinen viel, sind empfindlich und verstimmt.
Dieser „Babyblues“ trifft fast jede zweite Frau und wird als Anpassungsreaktion auf die veränderte hormonelle Situation gesehen. Halten die Symptome aber an oder treten sie erst mehrere Wochen oder Monate nach der Geburt auf, kann das auf eine beginnende postnatale Depression hindeuten – eine ernstzunehmende Erkrankung, die behandelt werden muss, damit sie nicht zu einer chronischen Depression wird.
Wie geht es den Eltern?
Die postnatale Depression gilt bisher als typische Krankheit der Mutter. Doch kann sie auch den Vater treffen? Immerhin haben Wissenschaftler inzwischen Hinweise darauf gefunden, dass sich auch im Körper von Männern einiges verändert, wenn sie Vater werden – zum Beispiel sinkt durch die Vaterschaft der Testosteron-Gehalt dramatisch. Um das zu überprüfen, haben Darby Saxbe von der University of Southern California in Los Angeles und ihre Kollegen 149 frischgebackene Eltern mehrere Monate lang begleitet.
Die Forscher besuchten die Paare insgesamt dreimal: zwei Monate, neun Monate und 15 Monate nach der Geburt. Bei diesen Besuchen beantworteten die Mütter und Väter zahlreiche Fragen, die über mögliche Anzeichen depressiver Symptome, Stress und die Zufriedenheit mit der Beziehung Aufschluss gaben. Beim zweiten Besuch bekamen die Männer zudem ein Speichelproben-Kit, mit dem sie von nun an dreimal am Tag eine Probe nehmen sollten, um ihren Testosteron-Spiegel zu messen.
Faktor Testosteron-Spiegel
Die Auswertung ergab, dass insgesamt nur wenige Studienteilnehmer eine klinisch relevante Depression entwickelten – darunter sowohl Mütter als auch Väter. Unabhängig von der klinischen Diagnose schauten sich die Wissenschaftler bei allen Probanden die Anzahl depressiver Symptome an, die sie im Laufe der Zeit festgestellt hatten.
Dabei zeigte sich: Der Testosteron-Spiegel der Männer schien einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung solcher Symptome zu haben – und zwar sowohl bei den Männern selbst als auch bei ihren Partnerinnen. Der Effekt war bei den Geschlechtern jedoch unterschiedlich: So führte ein vergleichsweise niedriger Testosteron-Spiegel bei Vätern häufiger zu mehr depressiven Symptomen.
Weniger depressiv, aber gestresster
Auf die Frauen wirkte sich ein niedriger Hormon-Gehalt ihrer Partner dagegen positiv aus: Sie waren mit ihrer Beziehung zufriedener und folglich weniger anfällig für depressive Verstimmungen. Warum das so ist, darüber rätseln Saxbe und ihre Kollegen noch: „Es könnte sein, dass sich Väter mit einem niedrigeren Testosteron-Spiegel intensiver um ihr Kind kümmern – oder dass ihr Hormonprofil besser zu dem der Mutter passt“, sagt die Psychologin.
Obwohl sie weniger Probleme mit depressiven Verstimmungen hatten, berichteten Väter mit einem hohen Testosteron-Spiegel über mehr Stress in Bezug auf Erziehung und Elternschaft und waren ihren Partnerinnen zufolge häufiger aggressiv.
„Nicht nur ein Mütter-Ding“
Diese Ergebnisse legen nahe, dass Vätern mit einer postnatalen Depression zwar womöglich durch die Gabe von Testosteron geholfen werden könnte – dass eine solche Behandlung umgekehrt aber dem Wohl der Mutter schaden und den Stress der Familie erhöhen könnte. „Eine Erkenntnis unserer Untersuchung ist, dass die Hormonersatztherapie nicht der beste Weg ist, um depressive Väter zu therapieren“, sagt Saxbe.
„Zumal ein vergleichsweise niedriger Testosteron-Gehalt während der postnatalen Phase sogar eine ganz normale Reaktion auf die Elternschaft sein könnte“, ergänzt die Psychologin. Trotzdem müsse Vätern, die unter postnatalen Depressionen leiden, natürlich geholfen werden. Den Forschern zufolge können zum Beispiel Sport und ausreichend Schlaf die Stimmung heben. Auch eine Gesprächstherapie hilft Eltern dabei, mit der neuen Belastung besser umzugehen.
„Wir halten die postnatale Depression oft für ein Mütter-Ding. Aber das ist sie nicht“, schließt Saxbe. In Zukunft wollen sie und ihr Team noch mehr darüber herausfinden, wie Väter „ticken“ und welche Faktoren ihr Verhalten gegenüber ihrem Kind und ihrer Partnerin beeinflussen. (Hormones and Behavior, 2017; doi: 10.1016/j.yhbeh.2017.07.014)
(University of Southern California, 06.09.2017 – DAL)