Kosmischer Kreisel: Astronomen haben den am schnellsten rotierenden Pulsar der Milchstraße entdeckt – und den zweitschnellsten überhaupt. Der Neutronenstern dreht sich 42.000 Mal pro Minute um seine eigene Achse und sendet dabei starke Radio- und Gammastrahlung aus. Seine Energie bekommt der rund 5.000 Lichtjahre entfernte Pulsar dabei durch Kannibalismus: Er saugt seinen kleineren Begleiter aus.
Pulsare sind schnell rotierenden und stark magnetische Neutronensterne – Relikte einer Supernova-Explosion. Diese ultradichten Sternenkerne senden wie ein kosmischer Leuchtturm gebündelte Radio-, Röntgen- und Gammastrahlen aus, die in regelmäßigem Takt durch das All streifen. Diese Strahlenpulse können extrem energiereich sein und es gibt sogar Pulsare, die ständig zwischen Radiowellen und Gammastrahlen umschalten.
Rätselhafte Gamma-Pulse
Unklar ist jedoch bisher, ob Pulsare auch hinter den bisher rätselhaften Gammastrahlen-Pulsen stecken, die Teleskope wie das Fermi-Weltraumteleskop der NASA aufgefangen haben. „Bei rund einem Drittel der von Fermi detektierten Gammastrahlen-Quellen haben wir bisher keine anderen Wellenlängen eingefangen“, erklärt Elizabeth Ferrara vom Goddard Space Center der NASA. Ohne diese zusätzlichen Strahlungsnachweise lässt sich aber nicht feststellen, ob Pulsare dahinterstecken.
Doch bei einer dieser rätselhaften Gammastrahlen-Quelle hatte die Fahndung nun endlich Erfolg: Die Radioteleskope des Low Frequency Array (LOFAR) haben am Ursprungsort dieser Pulse nun auch Radiopulse detektiert. Sie belegen, dass die energiereichen Gammastrahlen tatsächlich von einem Pulsar ausgehen – und noch dazu einem äußerst ungewöhnlichen.
Schnellster Pulsar der Milchstraße
Quelle der Radiopulse ist ein zwischen 3.200 und 5.700 Lichtjahre entfernter Neutronenstern, der schneller rotiert als jeder andere Pulsar in der Milchstraße. PSR J0952–0607 dreht sich 707 Mal in der Sekunde um sich selbst – in der Minute sind dies 42.000 Umdrehungen. Er gehört damit zur Gruppe der sogenannten Millisekunden-Pulsare – Neutronensternen, deren Rotation nicht nur besonders schnell, sondern auch sehr gleichmäßig ist.
Bisher kennen Astronomen nur einen einzigen Pulsar im Kosmos, der noch ein wenig schneller rotiert. Dieser Rekordhalter liegt in einem Sternenhaufen knapp außerhalb unserer Galaxie. „Weil PSR J0952-0607 uns aber viel näher ist als der Pulsar im Sternenhaufen, können wir ihn besser erforschen“, erklärt Cees Bassa vom niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON). Davon erhoffen sich die Astronomen mehr Erkenntnisse über das Innenleben dieser extremen kosmischen Leuchttürme.
„Schwarze Witwe“ saugt Begleiter aus
Der Pulsar hat aber noch eine Besonderheit: Er ist eine „schwarze Witwe“. Astronomen bezeichnen damit Neutronensterne, die Teil eines Doppelsystems sind und ihren Partner kannibalisieren. Sie ziehen ihnen Materie ab, bis von dem Begleitstern nichts mehr übrig ist. Im Fall von PSR J0952-0607 besteht der Begleiter aus einem nur noch rund 20 Jupitermassen schweren Sternenrest, der den Pulsar alle 6,4 Stunden einmal umkreist.
Auffallend auch: Der Pulsar sendet zwar starke Radiopulse aus, diese liegen aber in einem sehr engen, niedrigen Frequenzbereich – und sind daher nur sehr schwer zu detektieren. „Solche ultraschnellen Pulsare haben offenbar ein sehr steiles Radiospektrum, was bedeutet, dass die Radiopulse bei höheren Frequenzen schnell verblassen“, erklärt Cees Bassa vom niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON).
Nur weil LOFAR eines der wenigen Radioteleskope ist, das bei so niedrigen Frequenzen arbeitet, konnten die Astronomen den ultraschnellen Pulsar dennoch aufspüren. Sie vermuten daher, dass es in der Milchstraße noch mehr solcher schnell rotierender Pulsare gibt, die bisher übersehen wurden. Sie könnten dann auch die Quelle der bisher noch rätselhaften Gammastrahlen-Pulse sein. (Astrophysical Journal Letters, 2017; doi: 10.3847/2041-8213/aa8400)
(NASA/ ASTRON, 07.09.2017 – NPO)