Astronomie

Wikinger: „Sonnensteine“ funktionierten auch bei Wolken

Navigation mit Doppelspat-Kristall gelingt trotz Bewölkung bis auf wenige Grad genau

Wikinger-Seefahrer vor Grönland. Bei ihrer Überquerung des offenen Atlantiks könnten spezielle "Sonnensteine" eine effektive Navaigationshilfe gewesen sein. © Gemälde von Carl Rasmussen (1841–1893)

Kristall als Navigationshelfer: Die Wikinger-Seefahrer könnten tatsächlich mithilfe von Sonnensteinen navigiert haben – und dies überraschend genau. Denn wie ein Experiment bestätigt, kann man mit diesen doppelbrechenden Kristallen den Sonnenstand und die Nordrichtung selbst bei bewölktem Himmel bestimmen. Die so ermittelten Werte weichen dabei nur um wenige Grad vom richtigen Kurs ab, wie die Forscher berichten.

Die Wikinger waren Meister der Seefahrt: Ganz ohne Magnetkompass überquerten sie den Atlantik und gelangten sogar bis nach Grönland und Nordamerika. Sie navigierten dabei mit einfachsten Mitteln, darunter einer Art Sonnenkompass in Form eines runden Holzbretts mit Schattenstab und Markierungen.

Ein Kristall als Sonnenzeiger

Doch das war möglicherweise noch nicht alles: Der Legende nach half auch ein sogenannter Sonnenstein den Wikingern bei der Navigation. Erst seit einigen Jahren ist klar, dass es sich dabei um einen speziellen Kalzitkristall, einen sogenannten Doppelspat, gehandelt haben könnte.

Dieser Kristall bricht einfallendes Licht in zwei Strahlen. Indem man den Stein solange dreht, bis beide Strahlen gleich hell sind, kann man ermitteln, aus welcher Richtung das Licht kommt. Mit einem solchen „Sonnenstein“ konnte die Wikinger daher vermutlich auch bei bewölktem Himmel und in der Dämmerung die Position der Sonne orten.

Sonnensteine im Planetariums-Test

Wie genau diese Navigation per Sonnenstein tatsächlich war, haben nun Gábor Horváth von der Eötvös Universität in Budapest und seine Kollegen erstmals systematisch getestet. Für ihre Studie simulierten sie in einem Planetarium 1080 verschiedene Himmelszustände, denen die Wikinger auf ihren Reisen begegnet sein könnten. In den Szenarien stand die Sonne unterschiedlich hoch, gleichzeitig änderte sich auch der Grad der Bewölkung.

Die spezielle Lichtbrechung des Doppelspats erlaubt es, die Position der Sonne auch bei bedecktem Himmel zu bestimmen. © ArniEin/CC-by-sa 3.0

Die Forscher nutzten für ihre Tests drei verschiedene Sonnenstein-Varianten: aus Doppelspat oder aus den ebenfalls doppelbrechenden Mineralien Turmalin und Cordierit. In jedem Himmelsszenario bestimmten sie mit diesen Steinen den Sonnenstand und darüber indirekt die Nordrichtung. Am Schluss werteten sie aus, wie nahe ihre Ergebnisse an den jeweiligen Referenzwerten lagen.

Überraschend präzise selbst bei Wolken

Das Ergebnis: Die Sonnensteine waren tatsächlich relativ genau – und das sogar bei bewölktem Himmel. Stand die Sonne zwischen 35 und 40 Grad hoch am Himmel, wie im Sommer der Fall, konnten die Testpersonen mit allen drei Sonnensteinen die Nordrichtung auf ein bis drei Grad genau bestimmen – trotz Bewölkung. Im Frühling bei niedrigerem Sonnenstand gelang dies immerhin noch bis auf sechs Grad genau.

„Am besten gelang die Nordbestimmung zwar bei leicht- bis mittelstark bewölktem Himmel“, berichten Horváth und seine Kollegen. „Wir schließen aber nicht aus, dass die Wikinger auch bei starker Bewölkung damit erfolgreich navigieren konnten.“ Vor allem nahe der Sommersonnenwende waren die Sonnenstein-Messungen auch bei vielen Wolken noch halbwegs genau, wie die Tests ergaben. Am besten schnitt dabei der Kalzit-Sonnenstein ab.

Effektive Navigationshilfe

„Wenn ein Navigator seine Richtung mehrere Male am Tag gemessen und korrigiert hätte, dann wären die Abweichungen von der korrekten Nordrichtung relativ gering gewesen“, erklären die Forscher. Gerade auf den relativ weit nördlich liegenden Routen der Wikinger könnte der Sonnenstein daher eine effektive Navigationshilfe gewesen sein. Denn wie die Tests ergaben, ist die Peilung unter sehr hohen Sonnenständen, wie beispielsweise am Äquator üblich, damit sehr viel ungenauer.

Ob die Wikinger tatsächlich Sonnensteine für ihre Navigation nutzten, lässt sich heute nicht mehr eindeutig feststellen. Aber die Experimente belegen, dass diese Technik durchaus funktioniert – gerade unter den Bedingungen, unter denen die Nordmänner segelten. (Proceedings of the Royal Society A: Mathematical and Physical Sciences, 2017; doi: 10.1098/rspa.2017.0358)

(Royal Society, 13.09.2017 – NPO)

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