Plastisch wie unser Gehirn: Forscher haben ein Computerbauteil entwickelt, das ähnlich arbeitet wie die Synapsen in unserem Gehirn. Je nachdem, wie viele optischen Daten hindurchströmen, passt die „photonische Synapse“ ihre Kristallstruktur und damit ihre Leitfähigkeit an. Wie beim menschlichen Lernen erhalten dadurch viel genutzte Lösungen und Denkwege mehr Gewicht. Die „lernfähige“ Computersynapse könnte damit ein wichtiger Schritt hin zu Computern nach Vorbild des Gehirns sein.
Unser Gehirn ist Computern in vieler Hinsicht noch immer überlegen – und unterscheidet sich grundlegen von ihnen: Während in Computern das Rechnen im Prozessor und damit getrennt vom Datenspeicher stattfindet, arbeitet unser Denkorgan integrativ: Das Zusammenspiel der Neuronen über ihre Synapsen und die Plastizität dieser Verbindungen sind Rechner und Datenspeicher in einem.
„Diese einzigartige Struktur macht das Gehirn so energieeffizient“, erklären Harish Bhaskaran von der University of Oxford und seine Kollegen. „Die Entwicklung von Computern, die mehr wie unser Gehirn arbeiten, ist daher seit Jahrzehnten eine Art heiliger Gral.“
Wie macht man Computer plastisch?
Ein Weg, die Plastizität des Gehirns nachzuahmen, sind neuronale Netzwerke. In diesen imitieren Algorithmen die Anpassung der Synapsen an das Gelernte: Erweist sich eine Lösung als vorteilhaft, wird dieser Rechenweg künftig bevorzugt durchlaufen. Bisher allerdings erstreckt sich diese Imitation neuronalen Rechnens allein auf die Software. Doch es gab auch schon erste Versuche, die Synapsen unseres Gehirns technisch nachzubauen.
Jetzt stellen Bhaskaran und seine Kollegen hier einen spannenden Durchbruch vor: Sie haben eine photonische Synapse konstruiert, die in optische Computerchips integriert werden kann. Ähnlich wie ihr biologisches Vorbild passt sich diese Synapse von selbst daran an, wie oft und intensiv sie genutzt wird.
Kristall ändert sich je nach Lichtdurchfluss
Die neuartige photonische Synapse besteht aus einem sogenannten Phase Change Material (PCM) – einer chemischen Verbindung, die schon bei geringen Änderungen der Energiezufuhr ihren Aggregatzustand verändert. Winzige Scheibchen aus einer Germanium-, Antimon- und Tellurverbindung (Ge2Sb2Te5) bilden das Kernstück der Synapse. Im Ruhezustand liegt dieses Material kristallin vor. Durchlaufen nun optische Signale in Form von Laserpulsen dieses Material, verändert sich seine Kristallstruktur.
Das wiederum beeinflusst, wie gut die Signale weitergleitet werden – und dies auf kontrolliert steuerbare Weise: „Wir sehen, dass die Veränderungen in der synaptischen Gewichtung exponentiell und monoton von der Zahl der eingehenden Lichtpulse abhängt“, so die Forscher. So erreicht man die Stufe „2“ der Synapse immer durch Applikation von 100 Pulsen von 50 Nanosekunden Dauer – egal ob das Bauteil vorher in Stufe „1“ oder „3“ stand.
Anpassung wie eine echte Synapse
„Indem wir einfach die Zahl der optischen Pulse variieren, haben wir damit einen unglaublich einfachen und effektiven Ansatz, um Systeme mit einer kontinuierlich variablen synaptischen Plastizität zu erschaffen“, konstatieren Bhaskaran und seine Kollegen. Denn ähnlich wie die Verbindungsstellen in unserem Gehirn wird diese photonische Synapse umso effektiver und leitfähiger, je stärker sie genutzt wird.
Ein weiterer Vorteil: Die photonische Synapse lässt sich leicht in optische Computerchips integrieren. Wie sie sowohl über Lichtpulse gesteuert wird als auch optische Informationen überträgt, reagiert sie sogar tausendmal schneller als unsere Nervenverknüpfungen im Gehirn.
Weg zu neuer Ära der Computertechnik?
Nach Ansicht der Forscher könnten Bauteile wie ihre photonische Synapse den Weg in eine ganz neue Ära von Computern nach Vorbild des Gehirns ebnen. „Jeder Computer dieser Art muss die Funktion der Synapsen replizieren können – und genau das haben wir hier erreicht“, sagt Koautor Wolfram Pernice von der Universität Münster.
Sein Kollege David Wright von der University of Exeter erklärt: „Elektronische Computer sind relativ langsam und je schneller wir sie machen, desto mehr Strom schlucken sie. Zudem besitzt keiner dieser Rechner die Lernfähigkeit und parallele Verarbeitung des menschlichen Gehirns. Jetzt aber setzen wir an gleich beiden dieser Punkte an: Wir entwickeln nicht nur gehirnähnliche Computerarchitekturen, sondern arbeiten auch mit optischen Signalen, um Zeit und Energie zu sparen.“ (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1700160)
(University of Exeter, 28.09.2017 – NPO)