Gezieltere Korrektur: Fehler im Erbgut könnten künftig einfacher und gezielter repariert werden. Denn Forscher haben zwei neue Reparatur-Werkzeuge entwickelt, die eine falsche Gen-Base direkt in die richtige umwandeln können – ohne dass sie Erbguttteile herausschneiden müssen. Besonders spannend: Eines dieser Systeme repariert solche Punktmutationen nicht in der DNA, sondern in der RNA. Dadurch entstehen korrekte Proteine, ohne dass direkte Eingriffe am Erbgut nötig sind.
Die Genschere CRISPR/Cas9 gilt als Durchbruch, denn mit ihr lassen sich Mutationen im Erbgut einfacher und gezielter reparieren als zuvor. Forscher haben sie bereits genutzt, um Mäuse von der Duchenne-Muskeldystrophie zu heilen, eine Alzheimer-Mutation in menschlichen Zellen zu korrigieren und den Gendefekt der Sichelzellen-Anämie zu reparieren. Auch ethisch umstrittene Eingriffe in das Erbgut von Embryonen wurden mit dieser Methode schon erprobt.
Code-Korrektur ohne Schnitt
Doch die CRISPR-Genschere hat einen Nachteil: Sie entfernt fehlerhafte DNA-Sequenzen zwar zielgenau, ist für das anschließende Einsetzen des korrekten Codes aber von den Reparaturmechanismen der Zelle abhängig. Funktionieren diese zelleigenen Systeme aber nicht oder nur schwach, ist auch die Erfolgsquote der Genreparatur gering.
Zumindest bei Mutationen nur einzelner DNA-Basen gäbe es jedoch eine Alternative: Ein Reparatursystem, das die defekten Genteile nicht ausschneidet, sondern sie direkt im Erbgutstrang chemisch in die korrekte Base umwandelt. Spannend ist dies vor allem deshalb, weil ein Großteil der krankmachenden Punktmutation auf eine bestimmte Basenveränderung zurückgeht: Statt eines Guanins sitzt ein Adenin im DNA-Strang.
Aus Adenin wird Guanin
Genau diese Mutation kann das neue Genwerkzeug von Nicole Gaudelli und ihren Kollegen von der Harvard University nun korrigieren. Es besteht aus einer modifizierten Form der Genschere CRISPR/Cas9, an das die Forscher ein weiteres Enzym anhängt haben. Diese aus Bakterien isolierte Enzym kann die Genbase Adenin durch chemische Umlagerung in Inosin umwandeln – eine Base, die von der Zellmaschinerie als Guanin abgelesen wird.
„Damit haben wir einen neuen Baseneditor entwickelt – eine molekulare Maschine, die G zu A Mutationen im Erbgut lebender Zellen korrigieren kann – und dies auf programmierbare, irreversible und effiziente Weise“, sagt Guadellis Kollege David Liu. Dass dieses Genwerkzeug funktioniert, belegen erste Tests mit menschlichen Zellkulturen. In einem davon korrigierten die Forscher eine Mutation, die die erbliche Blutkrankheit Hämochromatose verursacht. In einem zweiten Test erzeugten sie eine Sequenz, die den roten Blutfarbstoff gegen bestimmte Blutkrankheiten schützt.
Korrektur der RNA statt DNA
Das zweite neue Genwerkzeug setzt nicht an der DNA, sondern an der RNA an – dem Biomolekül, das die DNA-Baupläne kopiert und zu den Proteinfabriken der Zelle bringt. Der Clou dabei: Korrigiert man eine fehlerhafte Sequenz in der Boten-RNA, dann kann ein funktionsfähiges Protein erzeugt werden, ohne dass dafür ein Eingriff an der DNA nötig ist. Krankmachende Mutationen können so ohne dauerhafte und möglicherweise ethisch umstrittene Veränderungen des Erbguts repariert werden.
Für ihr REPAIR getauftes System haben David Cox und seine Kollegen vom Broad Institute und der Harvard University das CRISPR-Molekül zunächst mit einem Cas13-Enzym kombiniert. Dieses sorgt dafür, dass sich das Genwerkzeug an die RNA statt an die DNA anlagert. Dieses Konstrukt ergänzten die Forscher dann mit einem Protein, das die RNA-Base Adenin in Inosin umwandelt – ähnlich wie beim ABE-System des ersten Teams.
Und auch dieses Genwerkzeug erwies sich in ersten Tests als erfolgreich: In menschlichen Zellkulturen korrigierte das REPAIR-System verschiedene Guanin-zu-Adenin-Mutationen, darunter zwei, die Erbkrankheiten verursachen. Das Ergebnis: REPAIR machte in 20 bis 40 Prozent der RNA den Fehler rückgängig. Gleichzeitig traten nur wenige sogenannte Off-Target-Effekte auf – an falscher Stelle vorgenommene Änderungen der Basenabfolge.
„Ein großer Schritt nach vorn“
„Eine molekulare Maschine zu erzeugen, die genau die genetische Veränderung bewirkt, die man für die Heilung einer Krankheit benötigt, ist ein großer Schritt nach vorn“, konstatiert Liu. Doch an beiden Genwerkzeugen ist noch einiges an Arbeit und Tests nötig, bevor sie tatsächlich bei Patienten eingesetzt werden können.
So muss noch geklärt werden, wie diese Molekülkomplexe am besten in die Zellen eines Patienten geschleust werden, wie sicher diese Genkorrekturen sind und wie effektiv sie bei lebenden Tieren und Menschen funktionieren. Dennoch sehen beide Teams in ihren neuen Reparatursystemen vielversprechende Ansätze, um künftig krankmachende Mutationen schonender und effektiver zu korrigieren. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature24644; Science, 2017; doi: 10.1126/science.aaq0180)
(Broad Institute, Harvard University, MIT, 26.10.2017 – NPO)