Turbo-Wachstum: Bäume in den Zentren von Metropolen wachsen weltweit schneller als Bäume in ländlicher Umgebung, wie eine Studie zeigt. Demnach verschaffen höhere Temperaturen durch den städtischen Wärmeinseleffekt den Pflanzen einen Größenvorteil von 20 bis 25 Prozent. Künftig könnten die Landbäume jedoch aufholen. Denn durch den Klimawandel stellen sich auch auf dem Land allmählich Bedingungen ein, wie sie städtische Bäume bereits seit Längerem erleben.
Ob in den Tropen, in gemäßigten Breiten und sogar bis in den hohen Norden: Bäume gibt es fast überall. Die Pflanzen sind ein wichtiger Bestandteil nahezu jeden Ökosystems. Sie bieten nicht nur einer Vielzahl von Tieren und anderen Pflanzen wertvollen Lebensraum, sondern prägen auch das lokale und globale Klima entscheidend mit.
Als grüne Lunge unseres Planeten atmen die Bäume große Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre ein. Sie verwenden es im Prozess der Fotosynthese als Kohlenstoffquelle und wirken so als Puffer für das schädliche Treibhausgas. Der Klimawandel scheint diesen Effekt noch zu verstärken, wie Studien zeigen. Denn die Erwärmung und die steigenden CO2-Werte kurbeln das Pflanzenwachstum an.
Lebensraum Stadt
„Während die Auswirkungen des Klimawandels auf das Baumwachstum in Wäldern umfassend untersucht wurden, gibt es für Stadtbäume bislang kaum Informationen“, sagt Hans Pretzsch von der Technischen Universität München. In der Stadt sind die Pflanzen mitunter jedoch ganz anderen Bedingungen ausgesetzt als ihre Artgenossen in den Wäldern. Aus diesem Grund haben der Forscher und seine Kollegen nun systematisch das Wachstum von Stadtbäumen weltweit auf Trends hin untersucht, die von veränderten Umweltbedingungen herrühren.
Zu diesem Zweck analysierten die Wissenschaftler Proben von Baumkernen aus zehn Metropolen – darunter Berlin, Kapstadt und Santiago de Chile. Dabei wählten sie die Städte so aus, dass unterschiedliche Klimazonen abgedeckt wurden. Die Bandbreite reichte von borealem, über gemäßigtes, mediterranes bis hin zu subtropischem Klima. Insgesamt nahm das Team knapp 1.400 meist ausgewachsene Bäume in den Fokus. In jeder Stadt wurde eine typische und vorherrschende Baumart ausgewählt und sowohl im Stadtzentrum als auch in der ländlichen Umgebung untersucht.
Schnelleres Wachstum
Bei den Untersuchungen stellten Pretzsch und seine Kollegen einen deutlichen Unterschied zwischen den Bäumen mitten in der Stadt und jenen in den ländlichen Regionen drum herum fest: „Wir können zeigen, dass Stadtbäume bei gleichem Alter im Durchschnitt größer sind als ländliche Bäume, denn die Stadtbäume wachsen schneller“, sagt Pretzsch.
Bei näherer Betrachtung nehme der relative Größenunterschied von städtischen gegenüber ländlichen Bäumen mit zunehmendem Alter wieder ab, bleibe jedoch relevant. „Während der Unterschied im Alter von 50 Jahren noch etwa ein Viertel beträgt, sind es bei einem Baumalter von hundert Jahren immer noch knapp 20 Prozent.“
Wärmeinseleffekt als Ursache
Die Ursache für die Wachstumsbeschleunigung der Stadtbäume sehen die Forscher im sogenannten Wärmeinseleffekt. Dieser Effekt führt in Stadtzentren zu einer stärkeren Aufheizung und somit zu höheren Temperaturen. Verglichen mit der ländlichen Umgebung kann diese Temperatursteigerung zwischen drei und zehn Grad Celsius ausmachen. Dies kann in zweierlei Hinsicht das Wachstum von Bäumen steigern: Einerseits regt es die fotosynthetische Aktivität an. Andererseits verlängert es die Vegetationsperiode, was die Zeitspanne im Jahr vergrößert, in der Bäume wachsen können.
Was zunächst positiv erscheint, kann für die Bäume jedoch durchaus einen Nachteil bedeuten. Denn die Wachstumssteigerung geht auch mit einem schnelleren biologischen Altern der Bäume einher. Das raschere Durchlaufen des Lebenszyklus kann dazu führen, dass Stadtverwaltungen unter Umständen früher für Ersatz überalterter, früher absterbender Bäume sorgen müssen, wie Pretzsch berichtet.
Effekt des Klimawandels
Ungeachtet des Vorsprungs der Stadtbäume zeigte die Studie: Sowohl städtische als auch ländliche Bäume wachsen durch den Klimawandel seit den 1960er Jahren weltweit schneller – und zwar um rund 20 Prozent. Die Beobachtung spiegelt demnach genau das Muster wider, das für Waldbäume bereits in früheren Untersuchungen festgestellt wurde.
Trotz möglicher negativer Auswirkungen des globalen Klimawandels auf Bäume – wie Dürreereignisse, die das Wachstum einschränken oder sogar zum Absterben von Bäumen führen können – scheinen die beobachteten Pflanzen bisher über alle Klimazonen hinweg profitiert zu haben. In allen betrachteten Regionen beschleunigten die Bäume ihr Wachstum in den vergangenen Jahrzehnten auf einheitliche Weise.
Klimawandel vorverlegt
Doch auch wenn Stadtbäume generell schneller wachsen als ländliche Bäume, haben letztere zuletzt zumeist stärker vom Klimawandel profitiert, wie das Team berichtet. Dies könnte ein bald eintretendes Limit andeuten. „Wir vermuten das, weil Stadtbäume durch den Wärmeinseleffekt den Klimawandel quasi vorverlegt erleben“, sagt Pretzsch. „In einer derzeit laufenden Studie versuchen wir solche Mechanismen aufzudecken, um rechtzeitig problematische Nebeneffekte zu erkennen.“ (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-14831-w)
(Technische Universität München, 14.11.2017 – DAL)