Voll im Stress: Belastende Prüfungsphasen wirken sich merklich auf das Immunsystem von Studierenden aus. Durch die stressige Situation sinkt die Zahl wichtiger Akteure für die frühe Immunantwort gegen Infektionen, wie eine Studie zeigt. Gleichzeitig wappnet sich der Körper jedoch durch eine Umverteilung reifer Abwehrzellen vom Blut ins Gewebe. Frappierend dabei: Bei psychisch bereits vorbelasteten Personen scheint das Immunsystem nicht mehr auf diese Weise reagieren zu können.
Stress gehört für die meisten von uns längst zum Alltag: Zeitdruck, Überforderung und ständige Informations-Überflutung sorgen dafür, dass viele Menschen kaum mehr zur Ruhe kommen. Doch das hat Folgen: Stress macht auf Dauer vergesslich, sabotiert unsere Selbstkontrolle und beeinträchtigt unsere Sinneswahrnehmung. Auch unsere Gesundheit leidet unter dieser Belastung. So kann Stress langfristig Übergewicht fördern und ähnliche gesundheitliche Folgen haben wie ungesundes Essen. Bekannt ist zudem, dass Stress unser Immunsystem beeinflusst.
Viktoriya Maydych vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund und ihre Kollegen haben nun untersucht, wie sich eine ganz bestimmte Art von Stress auf das Abwehrsystem auswirkt: Prüfungsstress. Was diese Form von Stress ausmacht, ist eine Mischung von chronischen und akuten Stresselementen – von der kraftraubenden Vorbereitungszeit, über die Aufregung unmittelbar vor der Prüfung bis hin zum manchmal langen Warten auf Ergebnisse.
Studenten im Prüfungsstress
Für ihre Studie begleiteten die Wissenschaftler 20 Psychologie-Studenten durch eine Klausurphase. In einem Zeitraum von acht Wochen nahmen sie dabei jeweils fünfmal Blut- und Speichelproben von den Probanden, um die Konzentration der Immunzellen zu bestimmen. Die erste Untersuchung fand vor dem Lernstart statt, die zweite wurde in der heißen Phase etwa 1,5 Wochen vor dem Klausurtermin durchgeführt, die dritte und vierte standen unmittelbar vor sowie nach der Prüfung an und die fünfte fand eine Woche nach der Prüfungsphase statt.
Vor Beginn der Klausurphase mussten die Studierenden zudem eine Reihe von standardisierten Fragebögen beantworten, bei denen es um Themen wie Burnout, Depression sowie Anforderungen im Beruf und Privatleben ging. Denn die Forscher wollten wissen: Macht es einen Unterschied für die Immunantwort in einer Stresssituation, ob jemand schon vorher psychisch angeschlagen ist?
Zahl der Immunzellen sinkt
Die Ergebnisse zeigten: Bei psychisch grundsätzlich stabilen Studierenden nahm die Anzahl der Abwehrzellen im Blut im Verlauf der Prüfungsphase deutlich ab. Dies betraf besonders Natürliche Killerzellen und Monozyten – Zellen des angeborenen Immunsystems, die für frühe Immunantworten gegen Infektionen besonders wichtig sind.
Doch nicht nur die Zahl der Abwehrzellen war auffällig, wie Maydych und ihre Kollegen berichten. Bemerkenswerterweise fand zudem eine Verschiebung des Verhältnisses von unreifen zu reifen Subpopulationen von Natürlichen Killerzellen und sogenannten T-Zellen statt. „Bis kurz vor Klausurstart stiegen die prozentualen Anteile der unreifen Zellen im Blut an, während die der reifen Zellen sanken“, sagt Maydychs Kollege Carsten Watzl.
Keine Veränderung bei ohnehin Gestressten
Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen könnte den Forschern zufolge sein, dass die reifen Zellen ins Gewebe gewandert sind. So könnte sich der Körper auf Infektionen oder Verletzungen vorbereiten, die aus evolutionsbiologischer Sicht Folge einer Stresssituation sind – und sich damit vorsorglich für die Ausnahmesituation wappnen.
Im Gegensatz dazu zeigte sich bei Personen, die schon vor der Prüfungsphase aus individuellen Gründen psychisch belastet waren, fast gar keine Veränderung: Sie hatten im Vergleich zu anderen Probanden schon vorher weniger Immunzellen im Blut. Deren Anzahl oder Verhältnis veränderte sich während der Prüfungszeit jedoch nicht weiter – wahrscheinlich, weil frühere Belastungen das Immunsystem so weit geschwächt haben, dass es nicht mehr adäquat auf vorübergehende Stressbelastungen reagiere, so die Vermutung der Wissenschaftler.
In Zukunft will das Team weitere Untersuchungen mit einer größeren Anzahl von Probanden sowie einheitlicheren Prüfungssituationen durchführen, um die Ergebnisse der aktuellen Studie zu untermauern und das Wissen um die Effekte von Stress und Persönlichkeitseigenschaften auf das Immunsystem zu vertiefen. (PloS One, 2017; doi: 10.1371/journal.pone.0188108)
(Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, 24.11.2017 – DAL)