Medizin

Hirnschrittmacher gegen Schlaganfall-Folgen?

Tiefe Hirnstimulation könnte gegen die Gangstörungen nach einem Schlaganfall helfen

Eine der häufigsten Folgen nach einem Schlaganfall sind Lähmungen und Gangstörungen. Gegen diese könnte möglicherweise ein Hirnschrittmacher helfen. © stockdevil/ iStock.com

Elektrische Signale gegen die Lähmung: Ein Hirnschrittmacher könnte gegen die häufigste Folge eines Schlaganfalls helfen: Gangstörungen und Lähmungen eines Beins. Denn die gezielte elektrische Reizung eines Bewegungszentrums im Mittelhirn kann diese Bewegungsstörungen deutlich bessern, wie Versuche mit Ratten jetzt zeigen. Die Forscher sind durchaus zuversichtlich, dass ein solcher Hirnschrittmacher auch menschlichen Patienten nach einem Schlaganfall helfen könnte.

In unserem Gehirn spielen elektrische Signale für die Kommunikation der Neuronen eine wichtige Rolle. Das „Feuern“ bestimmter Hirnareale steuert wichtige Aufgaben wie unsere Bewegung oder unser Denken, aber beeinflusst auch unsere Stimmung. Ist diese Aktivität gestört, kann in manchen Fällen ein Hirnschrittmacher helfen. Er reizt die entsprechenden Hirnbereiche durch implantierte Elektroden. Diese sogenannte Tiefe Hirnstimulation wird bereits bei Patienten mit Parkinson und schweren Depressionen eingesetzt.

Hirnschrittmacher gegen Lähmungen?

Jetzt gibt es Hinweise darauf, dass ein Hirnschrittmacher auch Menschen nach einem Schlaganfall helfen könnte. Bei diesen Patienten sind meist Teile des Gehirns durch eine Blutung oder eine verstopfte Hirnarterie geschädigt. Als Folge bleiben Lähmungen und Bewegungsstörungen zurück: Etwa ein Drittel der Überlebenden eines Schlaganfalls können kaum oder gar nicht mehr gehen.

„Für diese chronischen Gangstörungen gibt es bisher keine wirklich wirksamen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten – und auch die Erfolge von übenden Therapien sind sehr beschränkt“, erklärt Jens Volkmann vom Uniklinikum Würzburg. Ob diesen Patienten möglicherweise eine Hirnstimulation helfen könnte, haben er und seine Kollegen in einer Studie an Ratten untersucht. Dafür lösten sie bei den Tieren einen Schlaganfall aus, der ihre Beine lähmte und implantierten einem Teil von ihnen anschließend einen Hirnschrittmacher.

Ratten balancieren wieder

Es zeigte sich: Die nach dem Schlaganfall unbehandelten Ratten schafften es wegen ihrer Bewegungsstörungen nicht mehr, einen schmalen Balken zu überqueren. Sie fielen herunter, bevor sie die andere Seite erreicht hatten. Anders dagegen bei den Ratten mit dem Hirnschrittmacher: Sobald die Elektroden ihr Mittelhirn reizten, besserten sich ihre Bewegungsstörungen deutlich, wie die Forscher berichten.

„Die Ratten erlangten die Fähigkeit zurück, den Balken ohne Hilfe zu überqueren und rutschten dabei weniger häufig mit ihren Pfoten ab oder traten daneben“, so Volkmann und seine Kollegen. Dabei seien die positiven Effekte auf die Gehfähigkeit zeitlich streng an die elektrische Reizung gebunden. „Das funktioniert wie mit einem Schalter: Strom an – die Ratten können sich normal bewegen, Strom aus – die Ratten haben massive motorische Einschränkungen“, berichtet Volkmanns Kollege Felix Fluri.

Hirnschrittmacher im Gehirn eines Parkinson-Patienten. © Andreas Horn/ DGN

Störsignale ausgeschaltet

Eine elektrische Stimulation im Mittelhirn könnte demnach die nach einem Schlaganfall gestörte Bewegungsfähigkeit verbessern. Aber warum? „Das mesencephale lokomotorische Zentrum ist schon länger als Koordinationszentrum des Gehens bekannt“, berichtet Volkmanns Kollege Felix Fluri. Zwar ist dieses Hirnareal bei einem typischen Schlaganfall meist nicht direkt betroffen, dennoch scheint die Stimulation dieses Hirnareals die Bewegungststeuerung positiv zu beeinflussen.

„Wir vermuten, dass die elektrische Reizung die mesencephale Lokomotionsregion von störenden Signalen aus übergeordneten Hirnregionen abschirmt“, erklärt Fluri. Die vom Schlaganfall beschädigten Bewegungszentren in der Hirnrinde können so nicht mehr störend dazwischenfunken. „Dadurch wird das Mittelhirn wieder in die Lage versetzt, das Gehen über nachgeordnete Rückenmarkszentren normal zu kontrollieren und zu steuern“, so der Mediziner.

Wirksam auch beim Menschen?

Nach Ansicht der Forscher stehen die Chancen nicht schlecht, dass ein solcher Hirnschrittmacher auch bei menschlichen Schlaganfallpatienten helfen könnte. „Mit der tiefen Hirnstimulation verfügen wir bereits über ein zugelassenes Verfahren, das in anderen Hirnregionen und bei anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel der Parkinson-Krankheit, sehr gute Erfolge erzielt“, sagt Volkmann. „Vor diesem Hintergrund streben wir eine klinische Prüfung der Übertragbarkeit des Verfahrens auf geeignete Schlaganfallpatienten in naher Zukunft an.“ (Annals of Neurology, 2017; doi: 10.1002/ana.25086)

(Universitätsklinikum Würzburg, 27.11.2017 – NPO)

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