Alternative Theorie: Möglicherweise besteht die Dunkle Materie aus anderen Teilchen als vermutet. Angesichts der erfolglosen Fahndung nach Teilchenkandidaten wie WIMPs und Axionen bekommt nun ein dritter Kandidat wieder Aufwind: sogenannte Strongly Interacting Massive Particles (SIMPs). Diese Teilchen aus einer exotischen Quark-Antiquark-Kombination könnten nach Ansicht einiger Physiker die Diskrepanzen von Theorie und Beobachtungen erklären.
Es ist wie verhext: Obwohl ein Viertel unseres Universums aus Dunkler Materie besteht, ist noch immer völlig unbekannt, aus welchen Teilchen diese exotische Materieform besteht. Klar scheint nur, dass es sich um Teilchen handeln muss, die über die Schwerkraft mit normaler Materie interagieren, aber sonst so gut wie gar nicht. Genau das macht das macht das Aufspüren dieser Partikel so schwer.
Die bisherigen Kandidaten
Als bisher vielversprechendste Kandidaten gelten bisher die „Weakly Interacting Massive Particles“ (WIMPs). Diese Partikel sollen etwa die tausendfache Masse eines Protons besitzen und nicht einmal untereinander stark wechselwirken. Bisher allerdings haben weder Teilchenbeschleuniger noch spezielle Detektoren wie das LUX-Experiment eine Spur der WIMPs finden können.
Ein zweiter Kandidat sind Axionen – hypothetische Teilchen, die deutlich leichter sind als WIMPs. Modelle sagen voraus, dass diese Partikel zehn Milliarden Mal leichter sein könnten als ein Elektron und ebenfalls kaum mit sich selbst oder normaler Materie interagieren. Doch auch die Fahndung nach dieser Teilchenvarianten blieb bisher ergebnislos.
Exotische Quark-Kombination als Teilchen?
Hier kommt nun ein dritter Kandidat ins Spiel – die Strongly Interacting Massive Particles, kurz SIMPs.
Diese bereits seit einigen Jahren postulierte Teilchensorte wäre leichter und kleiner als ein WIMP, aber schwerer als ein Axion. Und im Gegensatz zu ihren beiden Konkurrenten sollen sie sich auch untereinander über die Gravitation stark beeinflussen. Einigen Theorien zufolge könnte die SIMPs aus einer exotischen Kombination von einem Quark und einem Antiquark bestehen.
Das Interessante daran: Die SIMPs könnten einige Verhaltensweisen der Dunklen Materie erklären, die mit den anderen beiden Kandidaten bisher nur schwer vereinbar sind, wie Hitoshi Murayama vom Kavli Institute in Japan und sein Kollege Yonit Hochberg von der Hebräischen Universität Jerusalem jetzt auf einer Astrophysik-Tagung berichten.
Rätselhafte Bremswirkung
Eines dieser bisher nicht erklärbaren Phänomene ist das Verhalten der Dunklen Materie bei Galaxienkollisionen. Bei der Vierer-Kollision im Cluster Abell 3827 hat sich die normale Materie der Galaxien bereits zum Teil vermischt, die Dunkle Materie jedoch hinkt hinterher. Wenn diese jedoch aus kaum miteinander interagierenden Teilchen besteht, ist kaum nachvollziehbar, was sie so abbremst, sagt Murayama.
„Erklärbar wäre dies aber, wenn die Teilchen der Dunklen Materie bei dieser Kollision gegeneinanderstoßen – und sich dadurch gegenseitig behindern“, so der Physiker. Bei den kaum miteinander wechselwirkenden WIMPs und Axionen wäre dies nicht möglich, wohl aber bei den SIMPs: „Für SIMPs als einem gebundenen Zustand einer neuen Quarkkombination sagt meine Theorie genau dieses Verhalten voraus“, so Murayama.
Diskrepanz in Zwerggalaxien
Und noch ein Phänomen könnten die SIMPs erklären: die Verteilung der Dunklen Materie in Zwerggalaxien. Geht man von WIMPs als Verursacher-Teilchen aus, dann müsste die Dunkle Materie im Zentrum dieser Galaxien einen eng zusammengeballten Peak bilden. Das jedenfalls zeigen die Modelle. „Aber Beobachtungen ergeben, dass die Verteilung viel flacher ist“, erklärt der Physiker. Diese Abweichung wird auch als core-cusp-Diskrepanz bezeichnet.
Der Grund für diese flachere, weniger stark konzentrierte Verteilung der Dunklen Materie könnte nach Ansicht von Murayama ebenfalls in den Eigenschaften der SIMPs liegen: „Diese Teilchen können miteinander kollidieren und sich dadurch verteilen“, so der Forscher. „Das würde das Verteilungsprofil im Zentrum abflachen.“ Axionen und WIMPs dagegen würden nicht voneinander abprallen und sich daher auch nicht verteilen.
Die Suche geht weiter
Doch solche Übereinstimmungen sind allenfalls Indizien – auch für die SIMPs steht ein handfester Beweis bisher noch aus. Teilchenbeschleuniger wie der Large Hadron Collider (LHC) am CERN oder der geplante international Linear Collider in Japan könnten aber genutzt werden, um gezielt nach den SIMPs zu fahnden, sagt Murayama.
„Natürlich sollten wir auch nicht aufhören, weiter nach WIMPs zu suchen“, meint der Physiker. Aber der Suchbereich für diese Teilchen sei durch die bisherigen Experimente bereits stark eingegrenzt. Sollten die WIMPs existieren, dann müssten sie fast so geisterhaft sein wie die Neutrinos, von denen Milliarden in jeder Sekunde durch unseren Körper fliegen, ohne dass sie mit unseren Atomen kollidieren.
(University of California Berkeley, 06.12.2017 – NPO)